: Wie im schlechten Film
TV-Sender wollen nicht für Filmförderung zahlen müssen – nun stoppte Minister Rexrodt die Pläne. Am Ende gibt es gar keine Filmförderung mehr, fürchten Kritiker ■ Von Georg Löwisch
Natürlich geht es nicht in erster Linie um gute Filme, sondern um eine gute Filmindustrie. Und weil die gutes Geld kostet, soll seit geraumer Zeit die Filmförderung neu geordnet werden. Doch die Geschichte darum schlingert dahin wie ein schlechter Film: hierhin, dorthin und kein Ende in Sicht.
„Es ist mal so, mal so und hat sich schon mehrfach in alle möglichen Richtungen gedreht.“ So beschreibt auch Thomas Schulz die Sache, der Sprecher der Filmförderungsanstalt des Bundes (FFA). Das ist noch untertrieben, denn im Laufe des Jahres ist der federführende Wirtschaftsminister Günter Rexrodt um die Interessen nur so herumgedribbelt. Jetzt will der FDP- Mann das Spiel beenden, und zwar mit einem veritablen Fallrückzieher: Anders als zwischendurch auch von Rexrodts Haus geplant sollen die Fernsehsender auch künftig nicht gesetzlich verpflichtet werden, in die Filmförderung des Bundes einzuzahlen, heißt es nun plötzlich aus dem Ministerium.
Die Idee war mal eine andere, als das Hin und Her vermuten läßt: Die Anstalt sollte mit der Novellierung des Filmförderungsgesetzes und der Pflichtabgabe endlich sicher planen können. Das ist auch nötig, denn es gibt zwar auch bislang schon eine Menge Geld für deutsche Filme, aber nur magere Ergebnisse. Der Grund: Keiner weiß, wer zahlen muß, kaum einer durchschaut, wo es welche Mittel gibt.
In letzter Zeit zahlte die FFA neun Millionen Mark für die Produktion „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, fünf Millionen für den letzten „Werner“-Film und vier Millionen für „Kleines Arschloch“. Von den elf Millionen, die der Helmut-Dietl-Film „Rossini“ kostete, kamen knapp fünf teils von der Bundes- teils von Länderfilmfördereinrichtungen.
Zahlen müssen bislag nur die Kinobetreiber, so das Gesetz. Eigentlich müßten auch die Videotheken zahlen, doch die weigern sich bislang und prozessieren lieber. Nicht zu einer Abgabe verpflichtet sind bisher die Fernsehsender – obwohl sie den größten Bedarf an Filmen haben. Die Sender, ob öffentlich-rechtlich, ob privat, wehren sich derzeit mit Händen und Füßen gegen eine mögliche Zahlungsverpflichtung – vor und hinter den Kulissen. Damit hatten sie jetzt offenbar Erfolg.
Sie zahlen allerdings auf der Basis einer freiwilligen Abmachung. Das, so schimpft Rezzo Schlauch, medienpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen, führe zu schlechter Zahlungsmoral. Die Kino- und Videothekenbetreiber beschwerten sich zu Recht über Ungleichbehandlung. Ihnen sei nie zu vermitteln, warum sie „gesetzlich zu Zahlungen verpflichtet sind, während es die Fernsehveranstalter als wesentliche Profiteure der Filmförderung nicht oder nur unregelmäßig tun“.
Einen „Rückfall in die filmpolitische Steinzeit“ nennt dagegen Sat.1-Chef Jürgen Doetz eine Pflichtabgabe zur Filmförderung. Und Albert Scharf, Intendant des Bayerischen Rundfunks, befürchtet, daß die Kreativität der Sender eingeschränkt würde.
„Die möchten bei der Freiwilligkeit bleiben, weil sie dann immer noch Bedingungen stellen können“, vermutet Alfred Hürmer, Filmproduzent und Vizeverwaltungsrat bei der FFA, „und diese Bedingungen sind zuungunsten der Produzenten.“
Die Sender wollen, daß nur noch Filme gefördert werden, die fürs Fernsehen bestimmt sind oder dort zumindest Quote bringen – also all die TV-Movies und Serien, für deren Produktion sie bislang selbst einen Großteil löhnen. Um das durchzusetzen, wollen die Sender, daß Verleiher und Produzenten bei der Vergabe der Gelder nichts mehr zu sagen haben, sagt Hürmer: „Im Präsidium sollen nur die sitzen, die zahlen.“ Hürmer fürchtet für diesen Fall: „Dann wären wir ja gleich eine Fernsehförderungsanstalt.“
Doch nicht nur um die Zahlungspflichten gibt es Chaos. Auch bei der Filmförderung des Bundes und der der Länder herrscht Verwirrung. Grund: Die Länder wollen Einzahlungen der Sender in ihre Fördertöpfe von ihren Zahlungsverpflichtungen im Bund abziehen, weil sie dann das Geld zum Wohle ihres Medienstandorts einsetzen können. Hürmer: „Wenn jemand aber von den Länderförderungen eine Mark bekommt, muß er in der Region 1,50 Mark ausgeben.“ So betrieben auch die Staatskanzleien heftig Lobbypolitik gegen die Zahlungspflicht. Ihnen hatten die Sender gedroht, daß ihre Einrichtungen weniger bekommen, wenn sie an die Bundesfilmförderung zahlen müssen.
In dieser Gemengelage bewegte sich nun der Minister Rexrodt – und dribbelte. Im Frühjahr hieß es noch in einem Positionspapier seines Hauses, die TV-Sender sollten nur freiwillige Beiträge entrichten. Ganz anders las sich im August der Referentenentwurf, der eine Abgabepflicht vorschrieb. Dieser Entwurf soll nun wieder im Papierkorb landen, ein neuer ins Kabinett eingebracht werden: Einer Zwangsabgabe sei das Wirtschaftsministerium „nicht zugetan“, sagt Rexrodt-Sprecherin Regina Wierig, als sei nichts gewesen: „Wir sind ja ein liberales Haus.“ Von einem Rückzieher ihres Chefs könne keine Rede sein. Eine Zwangsabgabe, behauptet sie, sei ja ohnehin immer nur als letztes Mittel gedacht gewesen.
„Die haben mit der Fernsehwirtschaft Geheimverhandlungen hinter unserem Rücken geführt!“ schnaubt Produzent Hürmer. „Der FFA droht das Aus!“ tobt Rezzo Schlauch. Videotheken und Kinos würden wegen Ungleichbehandlung gegen ihre Abgabepflicht klagen, „und dann zahlt letztlich keiner mehr“. Oder die FFA werde so zurückgeschniten, „daß man sich fragt, warum man den ganzen Zappel noch veranstalten muß“.
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