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Öko-Institut will „Tiger reiten“

Zum 20. Geburtstag präsentiert das Öko-Institut eine Studie für den einstigen Gegner Hoechst über die Produktion von Sorbinsäure – Urteil: überflüssig  ■ Aus Bonn Klaus-Peter Klingelschmitt

„Wenn wir weiter als Anwälte der Umwelt Erfolg haben wollen, müssen wir unsere Ideen und Konzepte in die Unternehmen hineintragen. Und wir müssen dort Verbündete suchen.“ Christoph Ewen, der wissenschaftliche Koordinator beim Öko-Institut, präsentierte gestern in Bonn eine Studie zur sogenannten Nachhaltigkeit (sustainable development), die von den alternativen Wissenschaftlern für die Hoechst-AG erstellt wurde. Am Beispiel von zwei Produktlinien der Chemiefirma habe das Öko-Institut eine „Art von Meßlatte“ angefertigt, mit der die Zukunftsfähigkeit unternehmerischer Aktivitäten bewertet und entsprechend verbessert werden könne, sagte Ewen. Er war Projektleiter bei dem auch institutsintern umstrittenen Engagement.

Sich von Hoechst als PR-Gag über den Tisch ziehen lassen, wie Kritiker monierten, habe man sich dabei nicht, so Ewen bestimmt. Umweltpolitik werde nicht nur in den Parlamenten gemacht, sondern auch gerade in den Vorstandsetagen der Konzerne. Auch Hanegret Hönes, ehrenamtlich tätige Vorstandssprecherin des Instituts, erklärte, es mache heute durchaus Sinn, „den Tiger zu reiten“. „Um auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft ein Stück voranzukommen, müssen die wichtigsten Akteure davon überzeugt werden, daß ein Umsteuern zwingend notwendig ist.“ Doch ob Hoechst die Konzernpolitik demnächst wirklich an den vom Öko- Institut entwickelten Instrumentarium zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Produkten ausrichten wird, bleibt offen. Das Konzept sei zwar „grundsätzlich andenkbar“. Und auch der „von den Bedürfnissen der Menschen herkommende Ansatz“ eindeutig richtig, räumt der Projektleiter von Hoechst, Wolfgang Brühl, in seinem Vorwort zur Studie ein. Aber die Hoechst-AG ist inzwischen eine Holding mit nur noch 200 MitarbeiterInnen. Die produzierenden Tochtergesellschaften sind heute rechtlich selbständige Einheiten. Und die Töchter hätten „im Prinzip“ auch die Kompetenz, ihre Produkte selbst zu entwickeln und nach ihren eigenen Kriterien am Markt zu plazieren, sagte ein Hoechst-Sprecher.

Daß es jetzt darauf ankommt, was das Unternehmen mit dem gemeinsam konzipierten „Werkzeug“ anfängt, weiß auch Ewen. Entschieden ist die Sache bei Hoechst noch nicht. Einfluß auf die Entscheidungsfindung hat das Institut allerdings nicht mehr. Dabei wurden bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Dachabdichtungen aus Bitumen für China auch konventionelle Probleme besprochen: Die Fabrik von Hoechst in China wirft nämlich keinen Gewinn mehr ab. Denn die Chinesen greifen aus Kostengründen beim Häuslebau lieber auf die gesundheitsschädliche Dachpappe zurück, als auf die unschädliche aus Bitumen. In China, so Ewen, hätten die Abdeckungen aus Bitumen zwar gleich zwei Ziele der Nachhaltigkeit abgedeckt: Gesundheit und Wohnen. Doch sie ist für China zu teuer. Empfehlung des Öko-Instituts: Finanzierungsinstrumente entwickeln.

Bei der zweiten Produktlinie ging es um Sorbinsäure zur Konservierung von Lebensmitteln. Dabei mußten die Wissenschaftler am Ende einräumen, daß im Rahmen der modellhaften Erprobung für dieses Produkt „ein in sich geschlossenes und vollständiges Nachhaltigkeitsprofil“ nicht erstellt werden konnte. Eine Tendenz sei dennoch erkennbar geworden: „In Deutschland ist heute ein zusätzlicher Beitrag von Sorbinsäure zur Befriedigung von Grundbedürfnissen im Bereich der Ernährung nicht erkennbar.“

Und wie weiter beim Öko-Institut? Die Bürgerinitiativen blieben das Standbein, versichert Hönes. Aber demnächst werde es sicher ein neues Arbeitsfeld geben: Unternehmensberatung. Die Weltbank und etwa Ciba Geigy sind aktuell schon Kunden. Gesucht werden jetzt Betriebswirte „mit ökologischem Basiswissen“.

Kommentar Seite 12

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