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Auf Du und Du mit SchulgewaltDen Streit schlichten Einsatz

■ Im Schulzentrum Lesum lernen Schüler Konflikt-Bewältigung

Es ist Pause. Die älteren Schüler stehen cool außerhalb des Schulhofes und rauchen. Halbstarke Jungs hängen vor dem Eingang, begrüßen sich mit Handschlag. Eine Gruppe russischer Mädchen hat sich vom Pausenhof abgesondert und unterhält sich in der Heimatsprache. Neben ihnen hängt ein leeres schwarzes Brett mit der Aufschrift „Lehrstellen“.

„Es ist nicht so, daß wir eine besonders konfliktträchtige Schule hätten“, betont Lehrerin Barbara Gedaschke. Aber Gewaltfälle gibt es auch in der Gesamtschule „Schulverbund Lesum“. Etwa tausend Schüler zwischen 13 und 18 Jahren sind auf zwei Gebäude in Bremen-Lesum verteilt. Zwischen den Schülern der 7. bis 10. Klasse gibt es hin und wieder Konflikte: leichte Körperverletzung, Diebstahl, Abzocken oder Kämpfe in der Rangordnung.

Bisher versuchten Lehrer, solche Probleme alleine in den Griff zu bekommen. Jetzt sollen sich die Schüler selber helfen. Zwei Psychologiestudenten bieten ein Anti-Streß-Training. Für Svenja Taubner und Christoph Krause ist dies schon das zweite Projekt mit dem Schulverbund Lesum. Letztes Jahre hatten sie mit Jungs und Mädchen der älteren Jahrgangsstufen gearbeitet, dieses Jahr läuft das Projekt mit 16 Schülern der 7. und 8. Klasse. „Wie im letzten Jahr wollten wesentlich mehr Mädchen teilnehmen“, sagt Taubner.

Die Schüler sollen in einem halben Jahr lernen, Probleme zu lösen. In Gruppensitzungen außerhalb der Unterrichtszeit üben die Schüler, über Konflikte zu reden und sie zu schlichten. Dabei müssen sie bei sich selber anfangen. Mit Körperarbeit und Rollenspiel beginnt die „Verbalisierungsfähigkeit“, wie es Taubner nennt. „Viele Eltern sagen: Die Kinder verändern sich und können zuhause besser mit Konflikten umgehen“, meint Taubner. Das sei aber nur ein schöner Nebeneffekt. Denn eigentlich sollen die konfliktgeschulten Jugendlichen nach der Ausbildung ihren Schulkameraden helfen.

Mit dem Zertifikat eines Streitschlichters ausgestattet, arbeiten jeweils zwei Schüler in einem „Anti-Streß-Team“zusammen. Bevor ein Konflikt in die üblichen Disziplinarmühlen der Erwachsenen gerät - wie Klassenkonferenzen, Diszipli- narverfahren oder gar eine Anzeige - versucht das Anti-Streß-Team, den Konflikt beizulegen. Die etwa Gleichaltrigen führen Einzelgespräche mit den zerstrittenen Parteien, um sie dann zusammenzubringen. Am Ende ergibt sich im besten Fall eine Schlichtungsvereinbarung, die von allen Beteiligten unterschrieben wird. Das sei schon mehrmals geschehen.

Mit einem schnellen Erfolg ist trotzdem kaum zu rechnen. „Das Projekt ist auf Jahre angelegt“, sagt Taubner. Es wird noch eine Weile dauern, bis Schüler und Lehrer die Streitschlichter akzeptieren. „Viele Veränderungen sind nicht meßbar“, sagt Lehrerin Gedaschke. Schulleiter Erhard Loeper ist aber vom Projekt überzeugt. „Schließlich ist das Echo der Schüler groß“, sagt Loeper. Gut 50 Schüler hatten sich ursprünglich dieses Jahr für das Anti-Streß-Training beworben. Deshalb finanziert der Schulverbund Lesum die Ausbildung bei der zweiten Gruppe selber. 8.500 Mark sind durch Spenden zusammengekommen. Ein Förderer war auch die Staatsanwaltschaft. Vermutlich eine Präventivmaßnahme.

susa

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