Vier Sudanesinnen droht Steinigung

■ Im Sudan hat ein Gericht vier Frauen wegen Prostitution zum Tode verurteilt. Das Urteil soll am Mittwoch vollstreckt werden

Berlin (taz) – In Sudans Hauptstadt Khartum sollen am Mittwoch vier Frauen wegen Prostitution hingerichtet werden. Wie die Nachrichtenagentur IPS unter Berufung auf die offizielle sudanesische Nachrichtenagentur SUNA meldet, hat ein Gericht in strenger Auslegung der Scharia (islamisches Recht) die Frauen zum Tode verurteilt. Noch nicht klar sei, ob das Urteil durch eine öffentliche Steinigung auf einem Marktplatz vollstreckt werde. „Dies wäre der erste Fall einer Steinigung im Sudan, seitdem das islamische Strafrecht 1983 eingeführt wurde“, sagt Manal Seifeldin, sudanesische Menschenrechtlerin in Berlin. „Bisher gab es für Frauen nur Folterungen und öffentliche Auspeitschungen – die teilweise aber auch zum Tode geführt haben.“

Mutaz Salim, hochrangiger Mitarbeiter der sudanesischen Botschaft in Bonn, bestreitet gegenüber der taz die Meldungen: „Solche Fälle gibt es bei uns nicht. Wir sind doch nicht Afghanistan.“ Doch nach Angaben des sudanesischen Justizministers Abdel Basit Sabdrat sind seit der Einführung des islamischen Strafrechts 891 Menschen zum Tode, zur Amputation von Gliedmaßen und zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Hingerichtet worden seien bislang 189 Personen.

Die vier jetzt vom Tode bedrohten Frauen sind schon dreimal wegen Prostitution verhaftet und verwarnt worden. Wer das Gesetz zum erstenmal bricht, muß mit 100 Peitschenhieben und einer Haftstrafte nicht unter fünf Jahren rechnen. Im Wiederholungsfall erhöht sich das Strafmaß auf 200 Hiebe und zehn Jahre Gefängnis.

Sudanesen im US-Exil haben in einer Petition den UN-Generalsekretär Kofi Annan aufgefordert, die „extrem grausame Bestrafung“ der vier Frauen zu verhindern. Der Vorwurf der „Prostitution“ müsse im Zusammenhang gesehen werden mit der ökonomischen Situation des vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes, in dem seit 1986 eine von Islamisten dominierte Militärjunta herrscht. Im August hatten sich bereits sudanesische Korangelehrte gegen die kritiklose Anwendung der Scharia gewandt. Nach den Regeln des Islam dürfe kein Muslim bestraft werden, der aus purer Überlebensnot straffällig geworden sei, erklärte Mohammed al-Tayeb, Koranlehrer an der Hay- Yousif-Schule in Khartum. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert- Stiftung leben in Khartum 450.000 Straßenhändlerinnen; da die Einnahmen aus diesen Geschäften in der Regel nicht ausreichten, rutschten viele Frauen in die Kriminalität ab.

In letzter Zeit hat es im Sudan mehrfach öffentliche Proteste von Frauen gegeben, die sich dagegen wehren, daß ihre Söhne an die Bürgerkriegsfront im Süden geschickt werden. Nach einem solchen Protest wurden nach Agenturberichten letzte Woche 40 Frauen ausgepeitscht. Der Zustand einer Frau wurde wegen innerer Blutungen als sehr ernst bezeichnet. Eine Frau soll wegen Tragens einer Hose 40 Peitschenhiebe erhalten haben. Barbara Debus