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McDonald's bekämpft Verpackungssteuer

Trotz klarer Niederlagen in den Vorinstanzen zieht der Burger-Brater bis vors Bundesverfassungsgericht. Dort traf der Müllproduzent auf Bayer, BASF und Hoechst: Die wollen Sondermüllabgaben loswerden  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Der Kasseler Stadtkämmerer Rolf Hedderich ist nach wie vor von seiner kommunalen Verpackungssteuer überzeugt. „Wenn wir in Karlsruhe gewinnen, werden viele Kommunen unserem Beispiel folgen.“ Betroffene Unternehmen wie McDonald's halten sie dagegen schlicht für verfassungswidrig. Gestern nun verhandelte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Auf dem Prüfstand standen daneben auch die Sonderabfallabgaben mehrerer Bundesländer, gegen die einige Chemiekonzerne Verfassungsbeschwerde erhoben hatten.

Kassel war 1991 die erste Stadt Deutschlands, die eine kommunale Verpackungssteuer einführte. Betroffen sind Verpackungen von Waren, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind. Pro Kaffeebecher sind 40 Pfennig fällig, ein Pappteller macht 50 Pfennig, eine Plastikgabel 10. Prompt klagten zwei örtliche Filialen von McDonald's und zwei Aufsteller von Getränkeautomaten.

Bislang hatten sie vor den Gerichten jedoch keinen Erfolg. Sowohl der Verwaltungsgerichtshof Kassel als auch das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hielten die Kasseler Verpackungssteuer für zulässig. Doch wegen der rechtlichen Unsicherheit scheuen sich viele Gemeinden noch, dem Kasseler Beispiel zu folgen – gerade 50 Städte und Gemeinden haben die Abgabe eingeführt.

Die vier Kläger stützen ihre Verfassungsbeschwerde auf das Argument, daß die Kasseler Verpackungssteuer eigentlich gar keine Steuer sei. „Es geht nahezu ausschließlich um die Lenkung der Unternehmen, aber gar nicht um die Erzielung von Einnahmen“, so ihr Prozeßvertreter Karl-Heinz Friauf. Die Form einer kommunalen Steuer habe man nur gewählt, so der Vorwurf, weil das Abfallrecht auf Bund- und Landesebene bereits abschließend geregelt ist und rigide Maßnahmen gegen Einwegverpackungen nicht zulasse.

Tatsächlich sind die Einnahmen in Kassel bisher äußerst gering geblieben, sie liegen unter 20.000 Mark pro Jahr. Dies kann allerdings nur teilweise als Beleg für die Wirksamkeit der Kasseler Steuer gesehen werden. Hauptgrund für das geringe Aufkommen ist eher die Befreiung, die den Unternehmen gewährt wird, wenn sie an den Grünen Punkt angeschlossen sind. Frankfurt ließ dieses Schlupfloch nicht zu und nimmt pro Jahr mehr als eine Million Mark ein. Am Montag abend, quasi als Signal für den eigenen Einnahmewillen, hat die Kasseler Stadtverordnetenversammlung eine Neuregelung beschlossen. „Künftig verlangen wir auch von den befreiten Unternehmen den halben Steuersatz“ berichtete Kämmerer Hedderich.

Das Verfassungsgericht nutzte gestern die Gelegenheit und verhandelte auch noch die Sonderabfallabgaben. Deren Hochzeit ist allerdings schon wieder vorbei. Von ursprünglich vier angegriffenen Landesgesetzen ist nur noch eines in Kraft, in Schleswig-Holstein. Vorreiter Baden-Württemberg hat seine Abgabe längst zurückgenommen, Niedersachsen wird zum Jahreswechsel folgen, und in Hessen ist sie bis 2000 „ausgesetzt“. Grund für diesen Rückzug waren zum einen Standortprobleme der Industrie gegenüber den übrigen Ländern, zum anderen aber auch Zweifel am Sinn der Abgabe. Zuviel Sondermüll wanderte in zweifelhafte Verwertungsmöglichkeiten ab, etwa zur Verfeuerung in Zementwerken oder in die Verfüllung von Bergwerken.

Dennoch ist die Entscheidung über die Zulässigkeit der Sonderabfallabgaben sehr wichtig. Alle Beteiligten erhoffen ein Grundsatzurteil, das auf andere Lenkungsabgaben, zum Beispiel auf eine Energie- und Klimaabgabe, übertragbar wäre. Zwar hat das Gericht schon 1995 in einem ähnlichen Fall Abgaben im Grundwasserbereich für zulässig erklärt. Das Urteil war aber so speziell, daß niemand daraus eine Prognose für andere Öko-Abgaben abzuleiten wagte. Die Chemieindustrie hält Lenkungsabgaben grundsätzlich für unzulässig. Die Urteile werden für Anfang 1998 erwartet.

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