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Lukrativer Qualm bei Parteitagen

Tabakkonzerne sponsern die Parteitage der Altparteien. CDU, CSU, FDP und SPD haben keine Bedenken gegen solche großzügige Unterstützung. Exabgeordneter der Grünen startet Initiative gegen das Sponsoring  ■ Von Klaus Wittmann

Augsburg/Bonn (taz) – Tabakkonzerne sorgen bei Parteitagen in Deutschland für zufriedene Schatzmeister und kostenfreien blauen Dunst. CDU, CSU, SPD und FDP würden von den Marktführern Reemtsma und Philip Morris ganz massiv unterstützt, berichtete am Wochenende der Exabgeordnete der Grünen im Bayerischen Landtag, Raimund Kamm.

Hunderte von Journalisten würden auf den Parteitagen von CDU, CSU, FDP und SPD von den beiden Konzernen „betreut“. „Da wird Technik zur Verfügung gestellt, da werden Getränke und Essen gereicht, und es wird rundum fürs Wohlbefinden gesorgt“, kritisiert der Grünen-Politiker.

Wie effektiv das für die Tabakmultis sei, zeigt sich nach Ansicht Kamms auch am Verhalten der Bundesregierung in Sachen Werbeverbot für Tabakwaren. Vor dem Hintergrund der Mitte Januar anstehenden Parlamentsentscheidung zu dem seit Monaten im Bundestag schmorenden Nichtraucherschutzgesetz weist Kamm auf das großzügige Sponsoring hin. „Es ist natürlich völlig akzeptabel, daß Menschen rauchen. Das ist eine individuelle Entscheidung. Wenn aber ein Werbeverbot für Zigaretten durch geschickte Lobbyarbeit verhindert wird, ist das etwas ganz anderes, nämlich gezielte und effektive Einflußnahme.“

Hellhörig geworden war der Grünen-Politiker durch eine schriftliche Anfrage, die er an den CSU-Generalsekretär Bernd Protzner gerichtet hat. Die Parteitage sollen, so seine Information, von Philip Morris und Reemtsma gesponsert werden.

Protzner antwortete, daß zum CSU-Parteitag „begleitende, räumlich getrennte Messeaktivitäten“ stattfinden würden. „Diese Räumlichkeiten werden auch von der Firma Philip Morris zu Präsentationszwecken genutzt. Ähnliche Aktivitäten (...) finden auf Parteitagen anderer Parteien statt.“

Ein FDP-Sprecher bestätigte, daß auch seine Partei von Philip Morris unterstützt werde und zwar hätte der Konzern die Betreuung der Presselounge übernommen. Bis zu 900 Journalisten wurden bei FDP-Parteitagen schon gezählt. Doch die Unterstützung dabei durch die Tabakindustrie hält die FDP für unbedenklich. „Das ist ja eher ein Service für Journalisten als für die jeweilige Partei“, wiegelt FDP-Sprecher Goebel ab.

Ähnlich reagiert auch die CDU. „Natürlich hat es ein Sponsoring gegeben. Das war durch die Firma Reemtsma“, sagte CDU-Sprecher Weitner. Bei der SPD war es nicht viel anders. „Das war doch deutlich sichtbar, daß Philip Morris und Telekom das Pressezentrum sponsern“, erklärt eine Parteisprecherin.

Parteien hätten eine wichtige demokratische Aufgabe und dürften sich nicht auf so plumpe Weise von Industrie-Interessen abhängig machen, schimpft hingegen Kamm. Man könne ja den Eindruck gewinnen, es kommt nicht von ungefähr, daß gerade Deutschland so vehement gegen das europaweite Werbeverbot für Zigaretten eintrete.

Immer wieder wird von den Altparteien Verständnis für die Reaktion der Tabakindustrie gezeigt, moniert Kamm.

Die Industrie will, wie Reemtsma-Chef und Verbandschef Ludger Staby kürzlich in der Zeit ankündigte, notfalls sogar wegen des EU-Werbeverbots vor das Verfassungsgericht ziehen.

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