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Reiter des Trojanischen Pferds

■ Kirch auf dem Weg in die ARD? Weil MDR-Chef Udo Reiter eine Kirch-Firma mit einer MDR-Tochter verbandeln will, muß sich der Intendant jetzt unangenehmen Fragen stellen

Als Adelheid Scholz schon im Sommer ein Gerücht hörte, winkte sie ab: „Ich hielt das für undenkbar“, erzählt die Personalratsvorsitzende des MDR. Später häuften sich dann die Gerüchte, MDR-Intendant Udo Reiter wolle Leo Kirch ins Senderboot holen. Kurz vor Weihnachten konnte Scholz schließlich in der taz nachlesen, wie Intendant Udo Reiter bestätigte: Kirchs Neue Deutsche Filmgesellschaft (NDF) verhandelt über eine Beteiligung an der MDR-Tochter Drefa Produktion. Scholz schlug Alarm: „Kirch auf dem Weg in die ARD!“ schrieb sie in einem Brief an alle Mitarbeiter.

Inzwischen haben es die früher eher schüchternen Personalräte geschafft, daß Gewerkschaftsvertreter Sturm laufen, der Fall in sämtlichen Tageszeitungen nachzulesen ist und Intendant Reiter in seinen Aufsichtsgremien unangenehme Fragen beantworten muß. Am Montag beispielsweise im Verwaltungsrat.

Parallel zu den Verhandlungen zwischen Drefa und NDF erwägt der Sender, die gesamte Technik sowie Bereiche der Verwaltung an Tochterfirmen auszulagern – möglicherweise an das künftige Kirch- Joint-venture, fürchten Personalrat und Gewerkschaften. Den MDR-Videotext produziert schon jetzt jene Firma.

Kirchs Leute, fürchten Kritiker, könnten sich dann komfortabel über Programmstrategien der ARD informieren. Reiter dürfe „dem Trojanischen Pferd“ nicht die Pforten der ARD öffnen, erklärte die IG Medien. Ein SPD- Abgeordneter warf dem MDR gar Verfassungsbruch vor.

Schließlich ist die Drefa Produktion nicht irgendeine MDR- Tochter: Die Firma soll den Löwenanteil des MDR-Produktionsvolumens in zweistelliger Millionenhöhe ins Sendegebiet holen. Gerüchten zufolge soll es um die Produktion der neuen „weekly soap“ gehen, die die ARD in diesem Jahr starten will. Und künftig ist noch mehr Geld zu holen: 20 Millionen Mark verheißt die neue mitteldeutsche Filmförderung seit diesem Jahr, ein Großteil dürfte an MDR-Koproduktionen gehen. Es gehe um die Verbindung von Kirch-Know-how und MDR-(Gebühren-)Geld, heißt es im MDR ganz offen.

Dessen Verantwortliche geben sich verwundert über die Kritik. Die NDF sei doch eine potente Produktonsfirma. Über die entstehenden Arbeitsplätze – in Sachsen dringend nötig – müßten sich die Gewerkschaften freuen. Am Wochenende formulierte MDR- Fernsehchef Henning Röhl gar eine veritable Verschwörungstheorie: „Interessierte Leute im Westen“ wollten verhindern, daß der Medienstandort Leipzig auf- und ausgebaut werde, sagte er im WDR-Medienmagazin. Zudem betont der MDR, die Verhandlungen seien nicht weit fortgeschritten. Doch taz-Informationen zufolge kursieren in der MDR-Chefetage bereits Vertragsentwürfe.

Daß der Fall sich nicht so schnell als Gespensterdiskussion abtun läßt, dürften die MDR-Verantwortlichen gemerkt haben: Rundfunkräte kündigten an, daß sie sich den Plan genau angucken wollten. Und Verwaltungsratsmitglied Jürgen Weißbach (DGB) mäkelte über die Umstrukturierungsprojekte mit Blick aufs Angebot des Senders. Daß der MDR schon jetzt schmal ausgestattet sei, merke man „gelegentlich auch im Programm“. Georg Löwisch

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