Die taz soll ihrem Anspruch treu bleiben Helmut Rieke

Die Politik der kleinen Schritte erfaßt nun auch die taz

Ein weiterer politischer Grundsatz ist aufgehoben. Das Militär darf gegen Geld auch in der taz werben. Na endlich. Noch Anfang der 90er Jahre wäre es undenkbar gewesen, aus den Händen potentieller Mörder und ihrer Anstifter lumpige Beträge zu kassieren, um fürs Sterben und Morden zu werben. Die taz erweist damit Rühe ihre Reverenz. Die Strategie der kleinen Schritte, um die Bundeswehr von einer „Verteidigungsarmee“ zu einer weltweit einsatzfähigen und einsatzwilligen Truppe umzuformen, erfaßt nun auch die „links-alternative“ taz. Wie sagte doch Rühe 1992: „Ich bleibe dabei, daß wir auf Kampfeinsätze... weder materiell noch psychologisch vorbereitet sind... Deswegen müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Es geht auch nicht nur darum, die Soldaten, sondern die ganze Gesellschaft auf diese neuen Aufgaben vorzubereiten.“ Bravo, taz, nun seid Ihr endgültig mit im Boot. Ralf Siemens, Berlin

Diese Selbstdarstellungen muß ich aushalten

Vorsichtshalber möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, daß ich einen prinzipiellen Unterschied zwischen den genannten Anzeigen und Anzeigen mit militaristischem, rassistischem, sexistischem und rechtsradikalem Inhalt sehe. Inhaltliche Selbstdarstellungen von Positionen, die ich nicht teile, kann und muß ich aushalten. Menschenverachtende Bilder, Aufrufe etc. darf die taz meiner Meinung nach auch in Zukunft nicht abdrucken. Hier muß der Respekt vor den Betroffenen/Angegriffenen absoluten Vorrang vor der Steigerung des Anzeigenaufkommens haben. Sollten die Bundeswehr oder die IZI ihre Werbestrategien ändern und diffamierende Angriffe gegen PazifistInnen oder AtomkraftgegnerInnen in ihren Anzeigen veröffentlichen, würde die Veröffentlichung ihrer Anzeigen in der taz für mich nicht mehr akzeptabel sein. Ute Finckh-Kaemer, Berlin

Da laßt die Finger von! Der Flurschaden wäre zu groß

Ich befürchte, die Welle der Empörung würde an dieser Stelle wirklich überschwappen, denn wie Ihr richtig sagt, ist die taz als Zeitung gegen die Atomenergie gegründet worden. Von dieser „Grundfeste“ der taz würde ich auf keinen Fall abgehen, da laßt die Finger von! Der Flurschaden wäre rein finanziell gesehen vermutlich größer als der Vorteil durch die Einnahmen. Christiane Lux, Ostfriesland

Ich will keine taz, die mir ein Stück heile Welt vorspiegelt

Für meinen Teil habe ich an die taz in keiner Weise das Bedürfnis, sie solle mir auf ihren Seiten ein Stück heile, (alternativ-)ordentliche Welt vorspiegeln. Für Klarstellung, Differenzierung und (falls nötig) Abgrenzung sorge ich in meinem wirklichen Leben, dazu brauche ich nicht die Verteilung von Druckerschwärze auf Papier. Und für meine eigenen Nachlässigkeiten oder Inkonsequenzen möchte ich eigentlich auch weniger eine Zeitung verantwortlich machen, das wäre doch etwas zu (selbstbe)trügerisch. – Wieso nimmt die Contra-Argumentation eigentlich für eine kritische Berichterstattung und Kommentierung keine (mindestens) ebenso große Verführungskraft an, wie sie geschickt aufgemachten Werbeeinsätzen zugetraut werden (sollen)? Katharina Schorsch,

Michael Machleb, Berlin

Auch wir haben stundenlang kontrovers diskutiert

Ich danke für die Information zu dieser wichtigen taz-internen Diskussion. Daß es eine solche Diskussion gibt, ist Kennzeichen der taz und muß weiterhin ein Kennzeichen der taz bleiben. Daß die Entscheidung in dieser Frage nicht so einfach ist, zeigte mir meine eigene Unentschiedenheit und die stundenlange kontroverse Diskussion mit anderen befreundeten Münchner taz-Lesern. Daß mit der Entscheidung für die Öffnung hin zu irritierenden Imageanzeigen wiederum ein Stückchen Insel dahingehen wird, haben wir alle schmerzlich festgestellt. Daß irgend etwas in dieser Richtung geschehen muß, um die finanzielle Situation der taz abzusichern, ebenfalls. Winfried Krämer, München

Diese Art Anzeigen haben eine moralische Qualität

Wie erkläre ich meinen FreundInnen, wenn ich für die taz werbe, diesen Schwenk? Wo liegt die Grenze der Zumutbarkeit für die GenossInnen, dies habt Ihr zu wenig bedacht. Diese Art von Anzeigen haben nun mal eine moralische Qualität mit Signalwirkung. Ich möchte eine Parallele ziehen, zum Beispiel zur Ökobank. Sollen wir diesem befreundeten Projekt vielleicht auch empfehlen, in ihren Aktienfonds Ökovision RWE- und Siemens-Aktien wegen der höheren Gewinnerwartung mit aufzunehmen? Die Gegenkultur, die wir entwickelt haben, würde ihre Anziehung und Glaubwürdigkeit verlieren. Joachim Petzschmann, Ratingen

Wenn die taz keine Alternative ist, ist sie zu teuer

Die „taz-ist-keine-Insel“-Mannschaft (!) hört sich so an, als ob Ihr Euch der dynamischen postmodernen Wirtschaft anpassen wollt. Wenn es keine Alternative dazu gibt, ist auch taz keine Alternative – und wenn taz keine Alternative ist, ist sie zu teuer. Sarah Wayer, Berlin

Man kann diese „Belästigung“ notfalls in Kauf nehmen

Es würde zwar zum liebgewordenen taz-Image passen, wenn der/die LeserIN sicher sein könnte, auf keinen Fall mit Werbung für die Gentechnologie, für Atomenergie oder für die Bundeswehr behelligt zu werden. Ich finde aber, daß so etwas lediglich eine „Belästigung“ ist, die man notfalls in Kauf nehmen kann (kaum einE taz-LeserIN dürfte befürchten, daß er/sie „selbst“ durch solche Anzeigen „manipuliert“ wird). Wenn tatsächlich die Alternative dazu ist, daß sich die taz auf dem Zeitungsmarkt „nicht“ mehr halten kann, dann ist der „Notfall“ da, und die Belästigung sollte hingenommen werden. Winfried Schumacher, Köln

Hier wird eine qualitative Grenze überschritten

Der Unterschied zwischen taz und, sagen wir, Frankfurter Rundschau wird mir immer weniger deutlich. Mit dem Abdruck von Anzeigen der obengenannten Institutionen wird in meinen Augen eine qualitative Grenze überschritten. Laßt das bleiben! Gertrud Moll, Stuttgart

Wenn Werbung uns rettet, in Geld uns gar bettet

Liebe tazzer,

für euch einen Schmatzer,

nach acht Jahren wehr,

schon lange ist's her,

konnte ich mich noch steigern

und kriegsdienst verweigern.

Ihr könnt also sehn,

woher winde auch wehn,

wir sind keine kälber

und denken schon selber!

ich leb sonst auch mit schmutz

und brauch keinen schutz!

wenn werbung uns rettet,

in geld uns gar bettet,

wird sie dadurch nicht gut,

mir fehlt nur der mut,

für die leser zu entscheiden,

welche werbung zu meiden. Rolf Scheyer,

Bergisch Gladbach

Das größte Plus der taz gerät in Gefahr – die Unabhängigkeit

Grundsätzlich habe ich keine Bedenken, wenn hin und wieder eine Anzeige von problematischen Kunden wie Atomwirtschaft usw. geschaltet wird. Ich halte die taz für so informativ, daß die Werbung hier nicht greifen wird (hoffentlich).

Viel problematischer ist die Grundeinstellung zum finanziellen Überleben der taz. Solange nur hin und wieder ein willkommenes finanzielles Zubrot aus solchen Anzeigen abfällt, ist das vielleicht sogar zu begrüßen. Wenn es jedoch soweit kommt, daß solche Anzeigeneinnahmen als festes finanzielles Standbein einkalkuliert werden – und das scheint mir seitens des Vorstandes der Fall zu sein – ist das Vorgehen höchst gefährlich. Das größte Plus der taz, nämlich die Unabhängigkeit von Parteien, Wirtschaftsverbänden, Konzernen und sonstigen Machtinstitutionen, gerät in Gefahr. Waltraud Faaß,

Straubenhardt-Feldrennach

Vielleicht kann ich davon sogar manchmal noch was lernen!

Ich bin dafür, auch von tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Gegnern Anzeigen entgegenzunehmen. So unstabil bin ich nicht, daß ich als Leser gefährdet bin, wenn ich anderen politischen Positionen ausgesetzt bin. Vielleicht kann ich davon sogar manchmal noch etwas lernen! Es paßt mir nicht, wenn meine Zeitung vorzensiert, wessen Anzeigen ich lesen darf. Natürlich darf sie sich von keinem ihrer Anzeigenkunden redaktionell oder sogar in ihrer politischen Ausrichtung beeinflussen lassen. Wir taz-Leserinnen und –Leser sind doch überwiegend kritisch genug, um zu protestieren, wenn wir den Verdacht hätten, daß Anzeigen irgendeinen Einfluß auf die Berichte oder die Kommentare haben. Wir sind doch keine Bild-Leser!

Rolf Blaga, Berlin

Mein Geld findet sich in einem Topf mit dem der Bundeswehr

Mein Einfluß auf die Entwicklung des Unternehmens taz geht gegen Null. (Es geht mir selbstverständlich nicht um ständiges Mit- oder Hineinredendürfen, sondern um die Beteiligung an Grundsatzentscheidungen.) Ich erhalte auch gar nicht die relevanten Informationen, die dafür nötig wären.

Mein Geld findet sich in einem Topf mit dem Geld von Gentech-Lobby, Bundeswehr etc. wieder. Der Eindruck, den ich bekomme, ist, daß mein finanzieller Einsatz für die taz nicht von Bedeutung ist.

Jeweils einen der genannten Punkte könnte ich tolerieren, beides zusammen ist zuviel. Matthias Bauer, Berlin

Wenn ich den 22jährigen Freund meiner Tochter sehe...

Ich sehe Werbeanzeigen der Bundeswehr in der taz als äußerst problematisch an – auch wenn sie sich vielleicht nicht militaristisch anhören. Selbst in ihrem jetzigen Zustand hat die Bundeswehr ein hauptsächlich militaristisches Gefüge. Und das wird sich auch nicht ändern, wenn mehr „linke“ Jugendliche in der Bundeswehr Dienst tun. Wenn ich den 22jährigen Freund meiner Tochter so sehe, wie er mit Springerstiefeln und Kampfanzug in mein Wohnzimmer stiefelt, da denke ich: Mutter, sei wachsam.

Bundeswehrklamotten, Waffen, Spielzeugpanzer – die Liste ließe sich endlos fortführen – sind in Mode. Und was Mode bewirken kann, das brauche ich nicht näher auszuführen... Ursula Finken-Schreiter, Aachen

Die taz braucht mehrere Schultern. Eine ist die Werbung

Wovor haben die Anzeigen-Puristen Angst – daß irgendein taz-Leser die „Argumente“ von Bundeswehr und Atomindustrie ernst nimmt? Und potentielle Genossenschafter geben Geld, wenn das Projekt taz ein zukunftsträchtiges, also auf mehreren Schultern stehendes, ist. Eine dieser Schultern ist nun mal für eine Zeitung die Werbung. Wolfgang Howald, Dresden

Anzeigen der Autoindustrie halte ch noch für vertretbar

Zunächst einmal ein großes Lob, daß Ihr Euren Streit über dieses Thema offen austragt und uns als Genossenschafter über die gegensätzlichen Standpunkte in Redaktion, Aufsichtsrat und Geschäftsführung informiert. Eine solche Streitkultur ist meines Erachtens eine wichtige Voraussetzung dafür, daß die taz auch in Zukunft in der Lage ist, gegen den Strom zu schwimmen. Nun zum Gegenstand des Streits:

Euer wichtigstes Kapital ist die wirklich glaubwürdige Unabhängigkeit – die dürft Ihr nicht aufs Spiel setzen! Darum: Anzeigen ja – aber nicht von Kunden, die schonungslos an den Pranger zu stellen Eure journalistische Aufgabe ist.

Um diese für mich wichtige „Schallgrenze“ verständlicher zu machen, will ich Euch Beispiele nennen: Anzeigen der Autoindustrie halte ich nach diesem Gesichtspunkt noch für vertretbar, Atomindustrie und Gentechnik-Lobby sind jedoch meines Erachtens tabu. Arndt Dohme, Hähner

Der Schaden für die taz könnte größer sein als die Erlöse

Auch andere Betriebe lehnen Aufträge zuweilen ab, wenn sie dem Image schaden. Und der Schaden könnte für die taz weit größer sein als ein paar nicht erhaltene Anzeigenerlöse. Auch in großer Not darf man nicht nach jedem Strohhalm greifen... Curt Schmidt-Diel, Stutensee-Büchig

Was ist aus der einst linken taz geworden?

Was ist aus der einst linken taz geworden, wenn die Bundeswehr und die Atomindustrie auf die Idee kommen, dort Anzeigen zu veröffentlichen? Wilhelm Voß, Osnabrück

Die taz ist auf eine klare Linie angewiesen

Wenn nun aber die aktuellen politischen Proteste gegen Castor-Transporte von neu geworbenen Anzeigenkunden mit Anti-Anzeigen begleitet werden, ist der politische Hintergrund und zeitliche Bezug doch allzu offensichtlich und kann nur zur Ablehnung des Anzeigenauftrags führen. Die taz ist auf eine klare Linie angewiesen. Inserieren Firmen ohne aktuellen politischen Bezug, so werdet Ihr die Anzeigen akzeptieren können. Politisch unabhängige Berichterstattung wird eher von wirtschaftlich unabhängigen Redakteuren/innen als von einer verarmten defizitären Zeitung gewährleistet. Jürgen Maly, Bremen

Werbung ist für mich auch Meinungsvermittlung

Vorweg zu meiner Person: Ich konnte aktiv die Ökobank mitgründen und bin ziemlich aktiv bei B' 90/Grüne (Ex-Bundestagsfraktionsmitarbeiter) und im Energiebereich. D.h. meine Meinung zu Bundeswehr und Atomenergie ist recht eindeutig. Seit ca. 5 Jahren bin ich u.a. für den Bereich Marketing der Stadtwerke Leipzig verantwortlich. Dennoch: Bitte entscheidet Euch, was Ihr wollt! Dies ist auch essentiell für Euer Marketing. Wollt Ihr a) ein „linkes“ Sektenblatt mit der reinen Wahrheit sein oder b) im kritischen Meinungsdialog mit den besseren Argumenten für eine sinnvollere Zukunft streiten?

a) bedeutet: Klare, reine Meinung – Auflage dürfte max. bei den 40- bis 50.000 bleiben, Tendenz wahrscheinlich sinkend.

b) bedeutet für mich: Ihr müßt Erstzeitung werden. Also: Meinungsvielfalt bei den Themen zulassen (Eure Leser sind doch nicht blöd, oder?) – Fakten, Fakten und kluge, intelligente Meinungen dazu aus unterschiedlicher Sichtweise. Werbung ist für mich dabei auch eine Form der Fakten und Meinungsvermittlung. Winfried Damm, Leipzig

Bundeswehr fände ich lustig und geradezu realsatirisch

Also, langer Rede, kurzer Sinn: Zur konkreten Frage Bundeswehr- und Atomindustrie-Anzeigen – Bundeswehr ja bitte (fände ich irgendwie lustig und geradezu realsatirisch), Atomwirtschaft lieber nicht. Wenn doch, werde ich deswegen bestimmt nicht mein Abo kündigen. Christian Clément, Hamburg