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Yanomami auf der Flucht vor den nahenden Flammen

■ Tausende Ureinwohner leiden infolge der Brände Hunger. Sie ziehen tiefer in den Dschungel

Die Dörfer der Yanomami sind vom Feuer nicht betroffen. Behauptete bislang Brasiliens Regierung. Die Bilder der brasilianischen Fernsehsender belegen indes das genaue Gegenteil: Angehörige des bekanntesten Indianervolkes Brasiliens versuchen verzweifelt, die Flammen zu ersticken. Junge Mütter fliehen mit ihren Babys hustend vor dichtem Rauch tiefer in den Dschungel. Die Waldbrände sind bereits bis auf 20 Kilometer an die von Yanomami bewohnte Siedlung Ajarani, rund 240 Kilometer südöstlich der Stadt Boa Vista, herangerückt.

Carlos Zacquini, ein italienischer Anthropologe, der seit über drei Jahrzehnten für eine brasilianische regierungsunabhängige Organisation im Stammesgebiet der Yanomami tätig ist, sah am Dienstag vom Flugzeug aus, wie sich riesige Flammenwände zügig in Richtung der Reservate durchfraßen. „Die Brandbekämpfung durch die etwa 600 Feuerwehrleute ist mangels notwendiger Ausrüstung völlig nutzlos“, sagte Zacquini zur taz. Diese könnten wegen des dichten Qualms gar nicht erst zu den wichtigsten Brandherden starten.

Viele Yanomami sind vor Hunger geschwächt. Flugzeuge und Hubschrauber können wegen der dichten Rauchschwaden die Dörfer auch anderer Stämme nicht mehr anfliegen, um Nahrungsmittel und Medikamente abzuwerfen. Carlos Zacquini zufolge leiden im Bundesstaat Roraima bereits an die siebentausend Ureinwohner infolge der verheerenden Brände Hunger. Die Ernten seien vernichtet, auch töteten Feuer und Rauch massenhaft Wild, das zur Hauptnahrung der Ureinwohner zählt. Und der Hunger, so Zacquini, habe die ohnehin katastrophale gesundheitliche Situation der Menschen noch verschärft.

1997 starben 13 Prozent der neugeborenen Yanomami, eine Malaria-Epidemie erfaßte 39 Prozent der Stammesangehörigen, auch Tuberkulose ist auf dem Vormarsch. Eingeschleppt wurden die Krankheiten womöglich von immer wieder illegal eindringenden Goldgräberbanden, die nicht selten schwerbewaffnet über die Dörfer herfallen, vergewaltigen und morden. Derzeit machen sich die Goldgräber die chaotische Situation in Roraima zunutze, um noch tiefer in die Indianerreservate vorzudringen und neue Schürfgebiete zu erschließen. Das zeigt auch, daß die mit Bonner Millionen finanzierte Abgrenzung der Yanomami-Gebiete obsolet geworden ist.

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