: Kleine Pille gegen Brustkrebs?
Eine US-amerikanische Studie macht Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko Hoffnung: Nolvadex soll präventiv wirken. Mediziner warnen vor der Euphorie ■ Von Annette Rogalla
Berlin (taz) – Die Erfolgsmeldung kommt aus Amerika. Nolvadex, ein Hormonmittel, welches zur Nachbehandlung bei Brustkrebs eingesetzt wird, soll auch vorbeugende Wirkung haben. Das Präparat soll das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, um 45 Prozent senken. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des staatlichen Krebsinstituts in Washington, die das Mittel im Auftrag des Herstellers Zeneca getestet haben.
An der Studie nahmen 13.000 Frauen über 35 Jahre teil. Ihnen wurde ein erhöhtes Brustkrebsriskio bescheinigt. Entweder, weil ihre Mütter oder Schwestern an einem Mamakarzinom erkrankt waren und/oder bei ihnen selbst schon ein gutartiger Knoten festgestellt worden war. Auch Frauen über 60 Jahre gehörten zur Gruppe.
Die eine Hälfte der Frauen schluckte ein Placebo. Aus der Gruppe der Frauen, die Nolvadex nahmen, erkrankten binnen vier Jahre 85 an Brustkrebs, aus der Placebo-Gruppe 154. „Ein sensationelles Ergebnis“, kommentiert Lena Raditsch von der deutschen Zeneca-Vertretung.
Sollen nun kinderlose Frauen über 35 Jahre mit einem dieser Risiken die Antikrebspille präventiv schlucken? Holger Eidtmann von der Universitätsfrauenklinik Kiel rät dringend davon ab. Zwar seien die Ergebnisse der US-Studie „beeindruckend“. Er hält das Mittel aber nur bei zwei Risikofaktoren für angebracht.
In Deutschland erkrankt jede zehnte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs, vor 20 Jahren war es noch jede 18. Das Robert-Koch- Institut in Berlin schätzt, daß jährlich 43.000 Frauen neu erkranken; 1996 starben über 18.000 Frauen an den Folgen des aggresiven Tumors. Annegret Haasche von der Gruppe „Frauenselbsthilfe nach Krebs“ sagt: „Ich würde jeder Frau mit erhöhtem Risiko zu Nolvadex raten. Trotz der Nebenwirkungen.“ Das Risiko, an Gebärmutterkrebs zu erkranken, an Thrombose oder einer Embolie, nimmt bei regelmäßiger Einnahme des Medikaments um das Zwei- bis Dreifache zu. Haasche rät, diese Risiken in Kauf zu nehmen. Gebärmutterkrebs könne man besser diagnostizieren und behandeln. Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren, leiden selbst nach einer erfolgreichen Operation noch Jahrzehnte später unter dem erhöhten Risiko einer Neuerkrankung. Der Wunsch nach einem vorbeugenden Medikament ist also verständlich. Bei der Herstellerfirma überlegt man noch, ob eine erweiterte Indikation für Nolvadex beantragen werden soll. Dafür benötige man eine abgeschlossene Zulassungsstudie, sagt Lena Raditsch. Die US-amerikanische Untersuchung reiche nicht aus. Sie war auf sechs Jahre angelegt. Als nach etwas mehr als vier Jahren die positive Zwischenbilanz gezogen wurde, habe man die Untersuchung aus ethischen Gründen abgebrochen. Den Frauen aus der Placebo-Gruppe wollte man das Mittel nicht länger vorenthalten, sagt die Firmensprecherin.
Ob das Mittel als Präventivmittel eingesetzt wird, entscheiden letztlich die behandelnden Ärzte. Das Mittel ist seit 25 Jahren im Handel, gilt als gut untersucht und bringt der Firma weltweit einen Umsatz von 860 Millionen Mark. Ärzte können es auch außerhalb der vorgegebenen Indikation verschreiben. Ihre ärztliche Therapiefreiheit erlaubt dies.
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