: „Die Ökosteuer schafft neue qualifizierte Jobs“
■ IG-Metall-Sprecher Manfred Muster will mit Ökosteuern auch den Autoverkehr entmilitarisieren
taz: In der Einleitung des von dir mitherausgegebenen Buches über den Autowahn heißt es: „Längst ist das Auto zum Umweltfeind Nummer 1 geworden.“ Ein erstaunliches Bekenntnis für den Funktionär einer Gewerkschaft, in der fast jedes fünfte Mitglied in der Autoindustrie oder in der Zulieferindustrie tätig ist.
Manfred Muster: Wenn wir überlegen, welche direkten und indirekten Folgen durch den Automobilverkehr entstehen, dann ist das in der Tat so. Wenn wir einen erweiterten Umweltbegriff benutzen, dann sehen wir, daß aus den Bewohnerstädten Benutzerstädte geworden sind, die ausschließlich nach dem Regime des Autoverkehrs gebaut wurden. Das soziale Zusammenleben der Menschen wird beeinträchtigt. Auch das ist ein Umweltschaden.
Benzinpreis fünf Mark – das ist zur Zeit ein Reizwort in der öffentlichen Diskussion. Auch unter unseren Gewerkschaftskollegen hat das heftige Reaktionen hervorgerufen.
Den Einsatz einer ökologischen Steuer als Lenkungsinstrument halte ich vollkommen für richtig. Es geht bei der Steuer aber nicht darum, aus ihr eine Strafsteuer zu machen für Leute, die Auto fahren. Wir müssen berücksichtigen, daß heute im Arbeitsleben hohe Mobilität gefordert wird.
Andererseits ist ein entsprechendes öffentliches Verkehrsnetz nicht vorhanden. Deshalb bin ich der Meinung, daß eine solche Steuer erst mal dafür eingesetzt werden muß, die Automobilindustrie dazu zu veranlassen, eine umweltschonendere Antriebstechnik zu entwickeln und ein leichteres Auto zu bauen.
Ist ein Benzinpreis von fünf Mark auf lange Sicht realistisch?
Auf lange Sicht ist ein solcher Preis realistisch. Die Grundüberlegung bei einer ökologischen Steuer ist, den Verbrauch von natürlichen Ressourcen hoch zu besteuern, um Innovationen für technologische Konversion in Richtung Ressourcenschonung zu initiieren. Beim Auto heißt das zunächst, dieses Verkehrsmittel zu optimieren. Ebenso kann sofort mit einer besseren Verbindung von öffentlichem Personennahverkehr und Automobil begonnen werden. Schwere Lasten im Fernverkehr gehören nicht auf den LKW sondern auf die Eisenbahn. Es ist nicht hinnehmbar, daß die Hersteller ihre just-in-time-Produktion auf der Autobahn lagern und die Umwelt zerstören. Im Endeffekt muß das, was an Steuern beim Benzinpreis erhöht wird, bei den Arbeitskosten nachgelassen werden, damit es Beschäftigungseffekte gibt.
Massenarbeitslosigkeit und Angst um Arbeitsplätze beeinträchtigen die gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit. Auch die IG Metall leidet unter schrumpfenden Mitgliederzahlen. Wie realistisch sind da Konzepte einer verkehrspolitischen Wende, die ja auf jeden Fall auch erhebliche Umstrukturierungen in der Industrie erfordern würde?
Ich sehe in der ökologischen Umstrukturierung eine Chance. Sie schafft neue qualifizierte Jobs, wenn wir die technologische Spitze in diesem Prozeß halten. Wir müssen unseren Mitgliedern auf den Betriebsversammlungen deutlich sagen, wie es um die Risiken ihrer Arbeitsplätze steht, wenn die ökologische Umstrukturierung nicht stattfindet. Das wird dann in ökologischer und sozialer Elendsverwaltung enden.
Auf die Manager der Autoindustrie ist da nicht zu rechnen? PS- Protzerei, Elektronik-Klimbim, Höchstgeschwindigkeiten beherrschen die Werbestrategien. Wo sollen sich die Kräfte entwickeln, die eine Wende herbeiführen?
Der Titel des Buches von Udo Richter und mir heißt ja „Mit Vollgas in den Stau“. Das Bild weist darauf hin, daß ab einem point of no return jedes Bremsmanöver nur noch die Crashfolgen abmildern, den Crash aber keinesfalls mehr verhindern kann. Wer sich vorstellt, daß sich die Länder der ehemaligen Sowjetunion, China und Indien auf das Niveau unserer Motorisierungsdichte zubewegen, der bekommt eine Gänsehaut. Das bedeutet den Öko-Super-Gau. Gerade die alten Industrieländer müssen doch jetzt zeigen, daß es anders geht.
In der Diskussion über eine Umsteuerung der Verkehrspolitik brechen auch suchtähnliche Abhängigkeiten vieler Menschen vom Automobil auf.
Unser heutiges Auto-Nutzerverhalten hat besonders bei Männern meist weniger mit der Rationalität eines Transportproblems zu tun. Es ist überwiegend ein Verhalten, das mit sozialer Selbstdarstellung, Machterlebnis über Zeit und Raum und Ranggehabe beschrieben werden kann. BMW sagt selbst in seiner Werbung über die Fünfer-Reihe: „Der Weg ist das Ziel“.
Schon 1982 äußerte der damalige Vorstandsvorsitzende von BMW, Eberhard von Kuenheim, in einem internen Strategiepapier: Die größte Gefahr, die BMW droht, ist die Entemotionalisierung des Autos. Das macht doch klar, worum es vornehmlich beim Autokauf geht. Das stetige Ansteigen von sogenannten Fun-Cars zeigt, wovon die Rede ist. Da werden hochmotorisierte und entsprechend verbrauchsintensive Geländewagen in einem Land gekauft, das eines der entwickeltsten Straßensysteme der Welt hat. Vorne dran einen dicken Kuhfänger, obwohl Kühe auf der Bundesautobahn oder im Stadtverkehr so selten sind wie Pottwale in den Alpen.
Da geht es doch in Wirklichkeit um eine Art Militarisierung der Sozialbeziehungen. Aber es gibt auch soziale und humane Vernunft. Ich ziehe eine Parallele zu einem anderen, weit tiefer sitzenden Triebverhalten, wo durch Aufklärung ein Wandel eingetreten ist: die Sexualität. Durch Aufklärung über Aids ist die Ansteckungsrate rapide zurückgegangen. Vor der Lust setzt also immer häufiger verantwortungsbewußte Reflexion ein. Das macht doch Mut, das wir es beim Gebrauch des Autos auch schaffen, zu einem rationaleren und humaneren Verhalten zu kommen.
Interview: Eike Hemmer
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