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Dioxin kommt aus dem Euter

Futtermittelzusatz aus Brasilien sorgt für erhöhte Dioxinwerte in Milchprodukten. Baden-Württemberg will strengere Gesetze, Schleswig-Holstein wiegelt ab  ■ Von Beate Willms

Das ist doch völlig normal“, war die erste Reaktion im schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium. Und Pressesprecher Jürgen Ceynowa erklärte: „In Milch ist immer etwas Dioxin.“ Damit meinte er allerdings Werte von durchschnittlich 0,61 Pikogramm (ein Billionstel) pro Gramm Fett, wie sie im Dezember gemessen wurden. Was die KollegInnen in Baden-Württemberg hatte aufschrecken lassen, waren beinahe achtmal höhere Dioxinbelastungen von 4,83 Pikogramm. Diese waren Mitte März zunächst in der Milchlieferung eines Freiburger Bauernhofs und bei anschließenden Kontrollen in ähnlicher Höhe in Butter aus Schleswig-Holstein entdeckt worden.

Grenzwerte für die Dioxinbelastung von Milch gibt es in Deutschland nicht. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Dioxin fordert, Lebensmittel mit einer Belastung von mehr als 5 Pikogramm Dioxin aus dem Verkehr zu ziehen. Der Warnwert, ab dem die Behörden angehalten sind, nach „neuen Quellen“ zu fahnden, liegt bei 3 Pikogramm. Umweltgiftexperten wie das Pesticid-Action-Network oder das Bürgerbüro Münchehagen sehen jedoch bereits Probleme bei der Berechnung der Werte, die sich aus verschiedenen Einzelmessungen zusammensetzen.

In die baden-württembergische Milch ist das Umweltgift, das Krebs auslösen und vom Körper nicht abgebaut werden kann, offenbar über Zitruspulpe, einen Kraftfutterzusatz aus den Schalen von Zitrusfrüchten, gelangt: In einer Lieferung aus Brasilien fanden die Kontrolleure Dioxinwerte zwischen 4,6 und 10,145 Pikogramm. Nach Recherchen von Heinrich Bredemeier vom Bürgerbüro Münchehagen wurde die Pulpe über einen Hamburger Importeur eingeführt und größtenteils nach Niedersachsen und Nordrhein- Westfalen verkauft. Auch dort wurden nach Behördenangaben um Ostern „leicht erhöhte“ Dioxinwerte in der Milch gemessen.

Unklar ist, ob das Gift bei der Ernte oder bei der Trocknung der Früchte in die Pulpe gelangt ist. Sollten Entlaubungsmittel wie Agent orange eingesetzt worden sein, könnten auch andere Zitruserzeugnisse wie Orangensaft belastet sein. Dagegen sprechen die Zusammensetzung des Gifts, die ein bislang unbekanntes Muster aufweist, und die Ergebnisse des Freiburger Untersuchungsamtes. Michael Preiss vom Landwirtschaftsministerium: „Wir können natürlich nicht alles überprüfen.“

Wahrscheinlicher ist ohnehin, daß das Dioxin beim Produktionsprozeß entstanden ist. Auch in diesem Fall wäre es möglich, daß noch andere Produkte Spuren von Dioxin aufweisen. Unbestätigten Angaben zufolge soll die Pulpe vor der Verwendung als Futterbeimischung noch einmal extrahiert worden sein – um Zusätze für die Kosmetikindustrie zu gewinnen.

Schwierigkeiten bereitet auch die Vernichtung des belasteten Futters. Lediglich die genossenschaftlichen Futtermittelhersteller Raiffeisen-Zentralgenossenschaft Karlsruhe, WLZ Raiffeisen Stuttgart und die Raiffeisen Kraftfuttermittelwerke Süd in Würzburg haben sich bereit erklärt, bereits gelieferte Mischungen „im Rahmen der Möglichkeiten“ zurückzuholen. Bei den anderen hieß es nur, in „begründeten Einzelfällen“ werde man Futter auch zurücknehmen. Der bundesweite Fachverband der Futtermittelindustrie wollte sich dazu nicht äußern. „Wir brauchen ein bundesweit koordiniertes Vorgehen, das uns mehr Handhabe auch gegenüber der Futtermittelindustrie gibt“, erklärt Preiss.

Der Sprecher im Landwirtschaftsministerium Niedersachsen, Hanns-Dieter Rosinke, hält dagegen: Zwar sei mit Dioxin „generell nicht zu spaßen“. Es sei jedoch falsch, sich jetzt auf diesen „einmaligen Schubs, der noch unter der Warngrenze geblieben ist“, zu konzentrieren. „Wichtiger ist die ansteigende Hintergrundbelastung.“ Diese werde durch verschiedenste Faktoren, darunter die Waldbrände in Indonesien, verstärkt. „Dagegen muß man international vorgehen.“

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