piwik no script img

Dutschke soll Kanonenboot versenken

■ FU möchte zum 50jährigen Jubliäum mehrere Straßen nach Personen ihrer Geschichte benannt sehen. CDU-Bezirksverordneter hält Dutschkestraße wegen "massiver Schäden" durch den Revolutionär für nicht akzep

Dreißig Jahre nach dem Attentat auf Rudi Dutschke will die Freie Universität (FU) den Namen ihres bekanntesten Studenten auf Straßenschildern verewigt sehen. In einem Schreiben an den Zehlendorfer Bezirksbürgermeister Klaus Eichstätt (CDU), das der FU-Präsident noch vor seinem Unfall im Februar formulierte, spricht sich Johann W. Gerlach für eine Umbenennung der Iltisstraße aus.

Damit würde zugleich ein Straßenname aus dem Stadtbild verschwinden, der an ein unseliges Kapitel deutscher Kolonialgeschichte erinnert. Das Kanonenboot „Iltis“ beschoß im Verlauf des „Boxeraufstands“ unter seinem Kommandanten Lans die chinesische Festung Taku. Neben der Iltis- erinnern auch die Lans- und Takustraße in unmittelbarer Nachbarschaft der FU an die deutsche „Kolonalherrlichkeit“.

Statt dessen sähe die FU aus Anlaß ihres 50jährigen Jubiläums lieber Persönlichkeiten aus der eigenen Geschichte gewürdigt. Für die Lansstraße schlägt sie ihren Gründungsrektor Friedrich Meinecke vor. Als Erinnerung an die 100jährige Geschichte des Wissenschaftsstandorts Dahlem soll die Takustraße künftig den Namen des Physik-Nobelpreisträgers James Franck tragen, der 1933 in die USA emigrieren mußte und 1945 mit dem „Franck-Report“ gegen den Atombombeneinsatz wandte. Außerdem sollen der Kiebitzweg nach der Chemikerin Clara Immerwahr sowie zwei bislang unbenannte Wege nach der Botanikerin Elisabeth Schiemann und dem Tierarzt Robert von Ostertag benannt werden.

Die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Zehlendorf hat den FU- Vorschlag inzwischen als Antrag eingebracht. Der Bauausschuß- Vorsitzende Kurt-Eberhard Dreyer (CDU) sieht zwar „grundsätzlich keine Schwierigkeit“ bei den FU-Vorschlägen. Rudi Dutschke allerdings habe „in unserem Land einen solch massiven, bis heute nicht reparierten Schaden“ angerichtet, daß eine nach ihm benannte Straße „nicht akzeptabel“ sei. So vermittelten die Lehrer der 68er-Generation „nicht einmal mehr die Grundbegriffe von Lernen“. Statt dessen schlägt Dreyer als Namenspatron den Kunsthistoriker und Diplomaten Otto von Simson vor.

Bei dieser Haltung der BVV- Mehrheitsfraktion sieht der SPD- Fraktionsvorsitzende Klaus-Peter Laschinsky die Chancen, Dutschke als „Person der Zeitgeschichte“ zu ehren, „praktisch gleich null“.

An der Iltisstraße liegt außer den FU-Gebäuden nur ein einziges Privathaus. Mit der „netten älteren Dame“ hat Traugott Klose, Leiter der FU-Studienabteilung, bereits gesprochen. Über Dutschke sei sie bestens informiert gewesen. Gegen die Umbenennung will sie sich trotzdem zur Wehr setzen: An dem „netten Tierchen“ Iltis findet sie nichts Anstößiges. Ralph Bollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen