: Wenn ein General sich den Schädel einschlägt
■ Mafiaskandale holen Italiens Carabinieri ein und lösen heftige politische Debatten aus
Rom (taz) – Den Namen „Benemerita“, die Verdienstvolle, trägt Italiens Carabinieri-Armee seit mehr als hundert Jahren. Hervorgegangen aus einer Art Leibstandarte des Königs, gilt die in Friedenszeiten als Polizeitruppe dem Innenministerium, im Kriegsfalle dem Verteidigungsressort unterstellte, über 70.000 Mann starke Truppe im Volk als eine der wenigen vertrauenswürdigen Einrichtungen. Derzeit allerdings kommt es knüppeldick. Nachdem gegen mehrere Generale wegen möglicher Begünstigung von Mafiosi und der Anstiftung zur Falschaussage in Sachen Rechtsterrorismus ermittelt wird – unter anderem gegen den derzeitigen Oberbefehlshaber der ganzen Armee, General Siracusa –, haben sich böse Verdachte gegen einen weiteren hohen Offizier verdichtet: General Francesco Delfino soll bei der Bezahlung des Lösegeldes für den 1997 entführten und Anfang 1998 freigelassenen Industriellen Giuseppe Soffiantini mitkassiert haben.
Am Mittwoch abend hat Delfino im Gefängnis von Peschiera einen Selbstmordversuch unternommen; nach dem bisherigen Ermittlungsstand schlug er seinen Kopf gegen die Wand und brach sich den Schädel, schwebt jedoch nicht in Lebensgefahr. Auf die Spur Delfinos waren die Ermittler gekommen, weil dieser im Besitz einer der von der Familie Soffiantini gekennzeichneten Banknoten war; bei einer Hausdurchsuchung hatten sich überdies Beutel gefunden, in denen die Lösegeldsumme transportiert worden war. Ein Geschäfstpartner Soffiantinis hat nach Indiskretionen aus der Staatsanwalt Brescia bestätigt, dem General nach massiven Drohungen, man werde nichts für die Befreiung des Entführten tun, umgerechnet eine Million Mark ausgehändigt zu haben. Delfino seinerseits behauptet, daß die auf seinen Konten eingezahlten umgerechnet 800.000 Mark aus dem Verkauf eines Hauses stammen.
Für die Carabinieri-Armee kommen derlei Unbillen zur denkbar ungünstigsten Zeit, nachdem sich einige Führungsoffiziere speziell der Anti-Mafia-Einheiten direkt mit den Staatsanwaltschaften von Palermo angelegt und haltlose Gerüchte über einen der führenden Ermittler gestreut hatten und nachdem der derzeitige Innenminister Giorgio Napolitano gegen den erklärten Willen der Polizisten eine Neustrukturierung aller Spezialeinheiten verordnet hat. Nun wirft die Rechtsopposition der Regierung Demontage der „Benemerita“ vor, die regierende Koalition sucht derweil die Führungszirkel der Polizeiformationen zu bändigen. Für kommende Woche ist zum Thema eine Parlamentsdebatte angesetzt. Werner Raith
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