"Rasterfahndung" nach Demo

■ Wegen Polizeieinsatz nach Leipzig-Demo wollen Businsassen vor dem Verwaltungsgericht klagen. Recht auf Versammlungsfreiheit sei verletzt worden. Löschung aller Daten gefordert

Vertreter von PDS, Grünen und den „Gewerkschaftern gegen Rassismus und Faschismus“ kündigten gestern an, mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht feststellen lassen zu wollen, ob der Polizeieinsatz gegen Busse mit aus Leipzig zurückkehrenden DemonstrantInnen rechtswidrig gewesen ist.

Das aus einem breiten Spektrum bestehende „Bündnis gegen Rechts“ hatte insgesamt sieben Busse organisiert, die zu den Protesten gegen die NPD-Kundgebung am 1. Mai nach Leipzig fuhren. Drei der Busse wurden auf dem Rückweg in Berlin von der Polizei angehalten und deren Insassen auf Polizeireviere gebracht. Dort wurden die Demonstrationsteilnehmer, zu denen auch die Abgeordneten Benjamin Hoff (PDS) und Judith Demba (Grüne) gehörten, mehr als zwei Stunden festgehalten. Ihre Personalien wurden aufgenommen.

Volker Ratzmann, der als Rechtsanwalt den Gewerkschaftsbus begleitete, erklärte gestern, die Polizei sei „mit gezogenen Knüppeln“ auf die Busse zugelaufen. Auf seine wiederholte Frage nach der rechtlichen Grundlage für den Polizeieinsatz habe der Einsatzleiter lediglich geantwortet: „Der stört hier die Amtshandlung, nehmt den mit.“ Daraufhin wurde der Rechtsanwalt festgenommen. Den Insassen der beiden anderen Busse, die zu dem lesbisch-schwulen Block gehörten und an der Glienicker Brücke gestoppt worden waren, wurde gedroht, man werde die Scheiben einschlagen, wenn nicht die Türen geöffnet würden.

Rechtsanwalt Ratzmann wertet den Polizeieinsatz als Versuch, „das Versammlungsrecht weiter einzuschränken“: „Nach einer Demonstration ohne konkreten Tatverdacht die Personalien von TeilnehmerInnen aufzunehmen, das nennt man Rasterfahndung.“ Dafür habe es nach Ratzmanns Worten keine rechtliche Grundlage gegeben und dementsprechend hätten der Innensenator und seine Beamten nicht nur das Polizeigesetz mißachtet, sondern auch das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt. „Ich wage die Behauptung, daß die Daten gespeichert und später weiterverwendet werden“, so Ratzmann. Die Organisatoren der Busse fordern die Löschung der erhobenen Daten.

In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses soll ein Dringlichkeitsantrag der Bündnisgrünen-Fraktion zum Vorgehen der Polizei am 1. Mai eingebracht werden. Die Grünen wollen erreichen, daß der Innensenator und die Polizeiführung zum Konzept der Deeskalation und Sicherheitspartnerschaft mit Veranstaltern zurückkehren.

Unterdessen hat ein unbeteiligter Passant Strafanzeige gegen den Einsatzleiter der Polizei bei der Demonstration gegen „rassistische Innenpolitik“ am 3. Mai in Kreuzberg erstattet. „Mit Entsetzen“ habe er erlebt, wie die Polizei ausnahmslos friedliche Demonstranten äußert brutal aus der Mitte des Zuges griff, erklärte er in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft. „Der Einsatzleiter hat vorsätzlich eine genehmigte Demonstration durch ständige Provokationen und unnötige Eingriffe eingeschränkt, wenn nicht gar unmöglich gemacht“; damit habe er gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verstoßen, so die Begründung der Anzeige. Tobias Singelnstein