: Der Aufschwung Nord-Süd
Deutschlands Eine-Welt-Läden basteln unter einem neuen Dachverband an ihrem „Corporate Design“. Sie setzen verstärkt auf Kampagnen für fairen Handel ■ Von Thomas Ruttig
Berlin (taz) – 2.500 Läden des „fairen Handels“ zwischen Palermo und Turku haben gestern am dritten Europäischen Weltladentag versucht, aus ihrer Nische heraus eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Die gemeinsame Aktion in 13 Ländern bildete den Höhepunkt ihrer 1997 gestarteten Kampagne „Made in Dignity“ (in Würde hergestellt). Bei der zentralen Aktion der deutschen Läden auf dem Stuttgarter Schloßplatz wurden unter anderem fair gehandelte T-Shirts versteigert, die von Promis wie Richard von Weizsäcker, Franzi von Almsick und Mutter Beimer signiert waren.
Mit solchen Aktionen will das Weltladen-Euronetz NEWS die marktführenden Konzerne dazu bringen, eine Sozialcharta für den Handel mit Kleidung zu unterschreiben und umzusetzen. Dabei gebe es auch in Deutschland schon Bewegung, resümiert Sabine Ferenschnitt vom deutschen Zweig der Kampagne. Marktführer wie C&A, Karstadt, Otto oder H&M hätten immerhin Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Hinter dieser Kampagnenstrategie steckt Realismus. Denn die politische Wirkung der über 750 deutschen Weltläden war schon immer größer als ihre mikroskopischen Marktanteile. Insider schätzen ihren Gesamtumsatz auf 60 bis 75 Millionen Mark im Jahr.
Den größten Anteil erzielen die „Anwälte für einen gerechteren Welthandel“, wie sie sich selbst nennen, beim klassischen Fair- Handels-Produkt Kaffee: gut ein Prozent des Marktes. „Aber was wir dabei zusammen umsetzen“, meint Uwe Prüfer, von der Kirche bezahlter Weltladen-Berater im Land Brandenburg, „kommt nicht einmal in die Nähe des Werbeetats, den die Branchenriesen zur Verfügung haben.“ Hoffnung machen ihm die Niederlande: Dort ist der Umsatz dreimal so hoch.
Doch der Aufschwung Nord- Süd steht vor der Tür. Mitte April fusionierten die beiden bisherigen deutschen Zusammenschlüsse, die Arbeitsgemeinschaft der Dritte- Welt-Läden (AG3WL) mit ihren 250 Mitgliedern und die lose RegionalsprecherInnen-Konferenz (rsk), zum „Weltladen-Dachverband“. Vorstandsmitglied Barbara Asbrand will der unübersichtlichen Szene mit den verwirrenden Bezeichnungen und Strukturen jetzt ein einheitliches „Corporate Design“ verpassen. In Großbritannien, erklärt sie, heißen all die Eine-, Dritte- und Allerweltsläden schlicht und einfach „World Shop“. Ladenschilder, Tüten und , Briefpapier soll künftig ein einheitliches Logo, die Spirale mit dem „W“, schmücken. Jeder Laden soll so als „Teil einer gemeinsamen Bewegung“ erkannt werden.
Reformbemühungen zeigen vor allem in ostdeutschen Landen erste Früchte. Ganz pragmatisch will man dort durch den fairen Handel auch Arbeitsplätze hier im Norden schaffen, berichtet Asbrand. Etwa das Dresdener LadenCafe aha (anders handeln) an der traditionsreichen Kreuzkirche: Mit fair gehandelten Lebensmitteln und Biokost hat es beim Umsatz den Weltladen inzwischen überrundet und wurde nebenher vom Stadtmagazin SAX zum besten Café 1997 gewählt. Längst nehmen hier auch betuchte Banker ihren Lunch ein; Coupons gibt's beim Arbeitgeber. Chefin Claudia Greifenhahn kann all die Catering-Anfragen für Messen und ähnliche Großveranstaltungen kaum noch wahrnehmen.
Als die gepa, größter deutscher Fair-Importeur, letztes Jahr ihr regionales Verteilerlager dichtmachte und damit den Nachschub für viele kleine Läden gefährdete, gründeten die Ossis ein eigenes: die F.A.I.R.E., die jetzt die Produktpalette aller Importorganisationen anbietet. Spiritus rector und Aufsichtsratvorsitzende ist Claudia Greifenhahn.
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