Die Tassen im Schrank lassen

■ taz-Debatte: Senator Willfried Maier (GAL) verteidigt sein Handlungskonzept St. Georg

Am 26. November 1997 hat die Bürgerschaft den Senat aufgefordert, ein Konzept zur Verbesserung der Situation am Hauptbahnhof vorzulegen. Das war im Koalitionsvertrag so beschlossen worden und nach den Erfahrungen im Wahlkampf 1997 auch notwendig. Unter Berufung auf die Situation am Hauptbahnhof hatten CDU, Kammern, Verbände, Medien und der wahlkämpfende Bürgermeister (Henning Voscherau (SPD), d. Red.) eine heftige Law-and-order-Kampagne gefahren. Wir haben damals dagegen gehalten und wenden uns auch heute gegen Ausgrenzung.

Dennoch war aber klar, daß die Kampagne nicht ohne Echo in der Bevölkerung geblieben war. Eine offene Drogenszene an einem der prominentesten Punkte der Stadt mit ihren Begleiterscheinungen von Beschaffungskriminalität und -prostitution bestätigt vorhandene Ängste in der Bevölkerung und zieht Aggressionen auf sich. Gleichzeitig mildert sie nicht die Situation für die Abhängigen, sondern das Elend potenziert sich mit dem Wachstum der Szene.

Aus diesem Grund hatten GAL und SPD vereinbart, ein Handlungskonzept zu erarbeiten, das aus helfenden und repressiven Elementen gemischt sein würde. Ziel war, die Szene zumindest teilweise vom Hauptbahnhof wegzuziehen. Das sollte nicht durch einfache Vertreibung geschehen, sondern durch zusätzliche Hilfsangebote an anderen Stellen der Stadt.

Ob das gelingen kann, ist zweifelhaft. Denn für Junkies ist nicht der Gesundheitsraum entscheidend, sondern ihn oder sie zieht es dahin, wo der Stoff zu bekommen ist. Also müßte man die Dealer an bestimmte andere Orte lenken können, um die Situation am Hauptbahnhof zu entschärfen. Dagegen stehen die geltenden Strafgesetze. Die Polizei muß Dealer verfolgen und kann ihnen kaum Räume erlauben, an denen sie ihren illegalen Geschäften nachgehen können.

Die Hauptbahnhof-Drucksache, die zwischen Sozial-, Innen-, Justiz- und Stadtentwicklungsbehörde erarbeitet wurde, ist Ergebnis eines Kompromisses zwischen den beteiligten Senatorinnen und Senatoren.

Jede Behörde hatte dabei die natürliche Neigung, ihr bisheriges Wirken möglichst glänzend und segensreich darzustellen. Immerhin hat sich die Innenbehörde bereitgefunden, nach Schilderung ihrer zahlreichen Platzverweise zuzugestehen, daß selbst zur Begrenzung von Drogenszenen „neben polizeilichen Maßnahmen Hilfsangebote an die Süchtigen unverzichtbar sind“.

Zudem hat sie bestätigt, was wir lange schon sagen: „Massierte polizeiliche Maßnahmen am Hauptbahnhof können zu Beeinträchtigungen in anderen Stadtteilen führen und umgekehrt, wenn sie nicht durch konkrete und passende Hilfsangebote begleitet werden.“

Die Sozialbehörde hat zugestanden, daß der Senat „unbeschadet der Beschlüsse, dezentrale Angebote für Drogenabhängige zu schaffen, (...) auf aktuelle Entwicklungen und sich in einzelnen Stadtteilen zuspitzende Problemlagen angemessen reagieren (wird). Der Senat wird im Rahmen eines Mediatorenverfahrens den Bedarf, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit weiterer Kapazitäten in möglichst weitgehendem Einverständnis mit den Gremien, Institutionen sowie Bürgerinnen und Bürgern vor Ort klären.“

Ebenfalls wurde eine kleine Erweiterung des Druckraumangebots in St. Georg beschlossen: für abhängige Prostituierte bei „Ragazza“. Angesichts der lange völlig blockierten Haltung der BAGS ist das noch kein Durchbruch, aber eine Öffnung.

Im übrigen bestätigt die Drucksache die Hamburger Politik zur gesetzlichen Möglichkeit, harte Drogen unter medizinischer Kontrolle an Suchtabhängige abgeben zu können. Ebenfalls bestätigt wird – gegen die Position der Staatsanwaltschaft – die Politik hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit von Gesundheitsräumen.

All das ist nicht die Lösung der Drogenproblematik. Ich gebe zu, ich habe eine solche Lösung auch gar nicht. Was wir erreichen können, ist ein akzeptierender und helfender Umgang mit Abhängigen und eine möglichst hohe Akzeptanz dafür in der Öffentlichkeit. Dazu ist diese Drucksache ein Schritt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für weitere Schritte sind Ideen und Unterstützung erwünscht.