: Marzahn zwischen Juristerei und Politik
■ Jugendstadtrat verteidigt Räume für NPD und fordert Zivilcourage
Der Jugendstadtrat von Marzahn, Wolfgang Kieke (PDS), verteidigte gestern seine Entscheidung, der rechtsextremistischen NPD vom Bezirksamt verwaltete Räume für ihre für heute geplante Wahlkampfveranstaltung zu vermieten. Erst durch einen Einspruch des Ältestenrates der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und die Einberufung einer Sondersitzung im Freizeitforum Marzahn für heute war das Angebot wegen Eigenbedarfs zurückgezogen worden.
Jugendstadtrat Kieke rechtfertigt sein Verhalten so: Rechtsextremistischen Parteien in Marzahn keinen Raum zu geben sei nicht „durch bürokratische Raumverweigerung zu erreichen, da zugelassene Parteien gerade in Wahlkämpfen ihre formale Gleichbehandlung gerichtlich jederzeit erzwingen können“. Kieke, der vom PDS-Bezirksvorstand zum Rücktritt aufgefordert wurde, fordert nun Zivilcourage von den MarzahnerInnen. Diese lasse sich nicht „an Ämter oder Organisationen delegieren“. Er begrüßte die für heute um 17 Uhr von der PDS- Fraktion Marzahn geplante „Lesung gegen das Vergessen“ vor dem Freizeitforum, an der er teilnehmen will.
Kieke war von seiner eigenen Partei wegen seiner „politisch instinktlosen Entscheidung“ scharf kritisiert worden. Gegebenenfalls hätte er es auf eine Klage der NPD ankommen lassen müssen, so die PDS-Fraktionsvorsitzende in der BVV, Mia Georgy. Auf Anraten des Rechtsamtes hatte Kieke der Vermietung zugestimmt. Rechtsamtsleiter Kay Döring begründete das gestern gegenüber der taz damit, daß die NPD eine in der Bundesrepublik zugelassene Partei sei und deshalb die gleichen Rechte wie andere Parteien habe. Man müsse „mitunter das Politische und das Juristische strikt trennen“. Der „juristische Spielraum“ sei sehr klein und das Prozeßrisiko sehr hoch. „Daß die NPD sicherlich nicht erwünscht ist, ist ein offenes Geheimnis“, ergänzte der Rechtsamtsleiter.
Bis zum gestrigen Redaktionsschluß hatte die NPD keine Rechtsmittel eingelegt. Darüber, ob die Wahlkampfveranstaltung vielleicht schon gestern in einem anderen Bezirk stattfand, lagen keine Erkenntnisse vor.
Der Landesvorstand der PDS will am Montag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Der Bezirksvorstand der PDS Marzahn hat für Mittwoch eine Hauptversammlung zum Thema „PDS Marzahn und Antifaschismus“ einberufen. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen