: Bei 25 Grad ist morgens schon Feierabend
■ Die Vorschriften für Hitzefrei unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern so sehr wie das Klima. Im Südwesten dürfen die Schulen selbst entscheiden, wann es ihnen zu heiß wird
Berlin (taz) – Wenn Studierende ins Schwitzen kommen, ziehen sie vom stickigen Hörsaal kurzerhand ins Straßencafé oder verlaufen sich auf dem Weg zur Uni ins Freibad. Nur noch vage können sie sich an Schulzeiten erinnern, als sie an sonnigen Sommertagen unerbittlich die Schulbank drücken mußten. Mit qualmenden Köpfen saßen sie über ihren Klassenarbeiten und warteten schweißtriefend auf das Ende der sechsten Stunde. Die einzige Hoffnung, den Schultag vorzeitig zu beenden: Hitzefrei!
Doch wann klettert in unseren Breiten das Außenthermometer bereits um zehn Uhr morgens auf 25 Grad Celsius? Nahezu unvorstellbar angesichts der ganz und gar nicht sommerlichen Temperaturen, mit denen wir uns derzeit zufriedengeben müssen. Dabei gab es im Mai schon einmal Hitzefrei. Zumindest in Brandenburg: Dort durften die SchülerInnen schon vor vier Wochen vorzeitig den Heimweg antreten, erstmals auch die Neunt- und Zehntkläßler.
Die SchülerInnen der Oberstufe müssen an heißen Tagen jedoch weiterhin darben. Das bekamen Anfang Mai nicht zuletzt die Brandenburger Abiturienten zu spüren, die über ihren schriftlichen Prüfungen ganz schön schwitzen mußten. „Da müssen die durch“, sagt Dieter Degenkolbe. Der Leiter der Potsdamer Marie-Curie- Gesamtschule beharrt auf der Vorschrift des Ministeriums. Zeigt das Thermometer um zehn Uhr 25 Grad im Freien oder 26 Grad „in repräsentativen Innenräumen“, dürfen nur die SchülerInnen bis Klasse zehn nach Hause gehen.
An Degenkolbes Schule dürfen sich die Schüler „ganz demokratisch“ an der Temperaturmessung beteiligen. Entweder bringen sie Thermometer von zu Hause mit, oder sie benutzen die digitalen Thermometer aus dem Experimentier-Set der Physik. Schüler und Lehrer müssen sich dann nur noch auf eine Temperatur einigen.
Nicht minder unterschiedlich als die sommerlichen Höchsttemperaturen sind die jeweiligen Hitzefrei-Regelungen in den verschiedenen Bundesländern. So muß in Hamburg das Thermometer um 11.30 Uhr 27 Grad im Schatten anzeigen, damit die SchülerInnen nach Hause dürfen. Das gilt allerdings nicht für die GrundschülerInnen: Da die verläßliche Halbtagsgrundschule den Eltern bis um 13 Uhr Aufsicht garantiert, gibt es dort kein Recht auf Hitzefrei. In Baden-Württemberg wurde die Hitzefrei-Verordnung vor zehn Jahren gänzlich abgeschafft. Seither liegt es in der pädagogischen Verantwortung der Schulleiter, die Hitzebeständigkeit ihrer SchülerInnen zu beurteilen.
„Umgefallen ist bei uns noch keiner“, sagt der Potsdamer Schulleiter Degenkolbe. Für den bevorstehenden Sommer ist seine Schule gewappnet. Sollte sich vor dem Beginn der Sommerferien in Brandenburg am 6. Juli eine Hitzeperiode einstellen, will Degenkolbe auf verkürzten Unterricht umstellen – eine Methode, die auch in anderen Schulen erfolgreich praktiziert wird. Die Schulstunden dauern dann statt 45 nur noch 30 Minuaten, um 11 Uhr haben die SchülerInnen bereits Feierabend.
Daß der kommende Sommer heiß wird, prognostiziert Diplommeteorologe Rainer Dettmann von der FU Berlin. Noch mindestens zwei Tage Hitzefrei verspricht er den Pennälern vor den Sommerferien. Heike Spannagel
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