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Nächster Halt: Ausstieg

■ Castor-Skandal bringt Grüne nach vorn und zwingt Merkel zu ersten Angeboten. Geisterzug an Rhein und Mosel: Heimlicher Castor oder Dünger-Waggon?

Berlin (taz) – Unmittelbar vor einer Krisensitzung von Bund und Ländern zu dem Transportskandal gab Bundesumweltministerin Merkel gestern zu verstehen, daß sich der Bund nicht mehr weigern werde, die Zuverlässigkeit der AKW-Betreiber zu überprüfen. Damit ging sie auf die grünen UmweltministerInnen ein, die mit der Strahlenaffäre Oberwasser für den Bundestagswahlkampf bekommen. Merkel solle zurücktreten, forderten die Grünen, zumal die Ministerin die weitere Nutzung der Atomenergie für „verantwortbar“ hielt. Die Sitzung, zu der allerdings nur vier von sechzehn Landesumweltministern erschienen, dauerte bei Redaktionsschluß noch an.

Atomexperten Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz schoben gestern die Schuld für den Skandal der Industrie zu, die keine Informationen an die Politik weitergeleitet habe. Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu der Affäre wird es nicht geben, nachdem gestern die SPD auf die Einberufung dieses Gremiums verzichtet hat.

Für Aufregung sorgten gestern Meldungen über einen Geister-Castor bei Koblenz: Trotz des Stopps aller Transporte soll eine solche hochradioaktive Fracht noch am 27. Mai um 10.30 Uhr durch Koblenz gefahren sein. An der dortigen Bahnstrecke hat die Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz (Argus) eine Meßstation aufgebaut, die rund um die Uhr die Gammastrahlung der vorbeifahrenden Züge mißt. Beim Auswerten der jüngsten Meßprotokolle zeigt sich für den letzten Mittwoch die typische Meßkurve, die ein vorbeirauschender Castor hinterläßt: Für etwa zwei Sekunden stieg die natürlich vorhandene Strahlung um das 42fache.

„Wir haben schon 60 Messungen von Transporten durchgeführt“, so Robert Burg von Argus. 13 davon – jeweils mit der gleichen typischen Kurve wie die vom 27. Mai – waren Behälter mit Brennelementen. „Das wissen wir auch durch Vergleich mit Angaben der Streckenbeobachtungen durch Anti-Atom-Leute.“ Das paßt auch zu Meldungen von letzter Woche aus Trier, wo ein Castor gesichtet wurde.

Wenn das stimmen würde, wäre trotz des Merkel-Stopps vom 14. Mai heimlich ein Transport mit Brennelementen ins Ausland gerollt. Die Atomindustrie hätte sich noch tiefer als bisher in den Sumpf gecastort. Entsprechend klar waren die Dementis. Das für die Genehmigung zuständige Bundesamt für Strahlenschutz ging gestern „davon aus, daß zur Zeit kein Transport stattfindet“. Die Frachtabteilung der Deutschen Bahn AG, die DB Cargo in Mainz, schloß „definitiv“ jeden Castor-Transport letzte Woche aus – „weder in Koblenz noch anderswo“, so ein Sprecher.

Das Eisenbahnbundesamt stieß ins gleiche Horn. Das Amt muß eigentlich jeden Transport von Gefahrgut kennen. Doch auf die Frage, was es denn dann für ein strahlender Transport gewesen sei, forschte das Amt bis Redaktionsschluß vergeblich – die Personallage war den Angaben zufolge gerade etwas dünn.

Als Erklärung für den Geistertransport hatte Kraftwerkschef Diester vom Atomkraftwerk Biblis einen Zug mit Kalidünger parat. Kali strahlt auch, allerdings nicht so stark. Das Umweltministerium Rheinland-Pfalz meldete, es hätte sich um einen Waggon Uranhexafluorid gehandelt. Das Rätsel bleibt also noch zu lösen.

Reiner Metzger Berichte Seite 2

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