Öffentliches Gelöbnis ohne Öffentlichkeit

■ In Berlin wird die Diskussion um mögliche Ausschreitungen auf Trillerpfeifen-Niveau geführt

Berlin (taz) – Wenige Stunden vor dem öffentlichen Gelöbnis in Berlin wird an der Spree an einem bisher unbekannten Straftatbestand gebastelt: Das Pusten in Trillerpfeifen. Die Polizei hat angekündigt, jegliche Störungen des Gelöbnisses durch Lärminstrumente zu verhindern. Sollten dennoch Trillerpfeifen an den Taschenkontrollen vorbeigeschmuggelt werden, werden sie beschlagnahmt und die Störer festgenommen, kündigte Gernot Piestert von der Landesschutzpolizei an.

Berlins Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) rechnet mit 6.500 Gegendemonstranten, denen 2.500 Polizisten gegenüberstehen werden. Als Beleg für die erwarteten „massiven Störversuche“ führt die Polizei „Publikationen“ an, „die auf Störung abzielen“. Es seien Plakate aufgetaucht, in denen dazu aufgerufen werde, Soldaten vor die U- oder S-Bahn zu stoßen. Die Gesichter der Soldaten seien zudem mit einem Fadenkreuz markiert. „Das übersteigt die Absichten einer friedlichen Demonstration“, sagte Haupteinsatzleiter Piestert.

Eine Lagebeschreibung, die für das Aktionsbündnis „Gelöbnix“ nicht nachvollziehbar ist. „Wir kennen nur ein Flugblatt, das in Prenzlauer Berg kursierte“, sagt Ralf Siemens von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, die neben den Grünen, PDS und Jusos zu Gegenveranstaltungen aufruft. Für die Kampagne steht fest: Entweder steckt dahinter ein „einzelner Durchgeknallter“ oder der Staatsschutz selber, um das vermeintlich öffentliche Gelöbnis ohne Öffentlichkeit durchzuführen. „Wir werden gewaltfrei protestieren“, hieß es gestern, „akustisch, visuell und optisch“. Wenn die Polizei gegen Trillerpfeifen vorgehe, inszeniere sie die Gewalt.

Die Trillerpfeifenfrage wird zur Gretchenfrage. „Akustisch wahrnehmbare Proteste“ seien „hinnehmbar“, sagte gestern ein Polizeisprecher. Es komme auch auf die Entfernung an. Werde aber die Durchführung des Gelöbnisses gefährdet, „wird dagegen eingeschritten“.

Öffentlich ist das Gelöbnis nur für die geladenen 1.500 Gäste. Während die Berliner CDU „Ja zu unserer Bundeswehr!“-Buttons verteilen will, kündigte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an, geschlossen, laut und fröhlich an den Protesten teilzunehmen. Weiterhin kritisierten die Grünen die „abenteuerliche Interpretation des Demonstrationsrechtes“. Bis gestern war noch unklar, wo das vom Aktionsbündnis geplante Friedensfest stattfindet, auf dem der Bundesvorstandssprecher der Grünen, Jürgen Trittin, und der Chef der PDS-Bundestagsgruppe, Gregor Gysi, sprechen sollen. Barbara Bollwahn