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Kein Vertrauen in die Zusagen von Milosevic

■ Kosovo-Albaner glauben dem jugoslawischen Präsidenten nicht. Serbiens Sondereinheiten sind weiter präsent, die Stadt Pec ist blockiert

Priština (taz) – Die Chancen für neue Verhandlungen im Kosovo stehen schlecht. Der Sprecher der Demokratischen Liga des Kosovo, Xhemail Mustafa, forderte gestern zwar gegenüber der taz, daß sich die serbischen Sondereinheiten sofort aus den Konfliktgebieten zurückziehen sollten, um ernsthafte Gespräche zwischen Kosovo-Albanern und Vertretern des Milošević-Regimes zu ermöglichen. Er rechne jedoch nicht damit, daß auch nur eine der Zusagen, die der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević in Moskau gemacht hat, eingehalten werde.

In der gemeinsamen Erklärung von Milošević und Rußlands Staatschef Boris Jelzin, so die Meinung auch in den Redaktionen der beiden albanischsprachigen Tageszeitungen Koha ditore und Bujko, seien nur Selbstverständlichkeiten versprochen worden. Daß internationale Beobachter Zugang zu den umkämpften Gebieten haben sollten, sei Bestandteil des internationalen Rechts. „So etwas zu einer Konzession zu stilisieren, ist wieder einmal typisch für Milošević“, erklärte einer der Redakteure.

In der Tat sind keine Anzeichen zu bemerken, daß die serbischen Sondereinheiten beginnen, sich aus den inzwischen zerstörten Gebieten zurückziehen. Anstatt, wie versprochen, die Flüchtinge wieder in ihre Dörfer zurückkehren zu lassen, werden nach Informationen von albanischer Seite die ohnehin schon zerstörten oder beschädigten Häuser durch Bulldozer dem Erdboden gleichgemacht. Wohin sollten diese Menschen zurückkehren? Überdies ist die Stadt Pec (Peja) mit ihren 100.000 Einwohnern von der Außenwelt abgeschnitten. Einige Frauen, die aus der Stadt fliehen konnten, berichteten gestern von ständigem Terror gegenüber den Bewohnern. Die Menschen verließen nur morgens kurz ihre Häuser, um sich mit Brot zu versorgen.

Die Lebensmittel würden knapp. Die serbische Polizei durchsuche systematisch die Häuser, Panzer patrouillierten in den Straßen. Das für eine Woche gekappte Telefonsystem sollte gestern zwar wieder funktionieren, es gelang jedoch während stundenlanger Bemühungen nicht, von Priština nach Pec durchzukommen.

Trotz des massiven Militäraufgebots von serbischer Seite ist es der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UCK jedoch gelungen, in die „gesäuberten“ Gebiete südlich von Pec einzudringen und von dort aus serbische Transportkonvois zu beschießen. Die Guerilla ist dazu übergegangen, ihrerseits ganze Landstriche zu kontrollieren. Auf militärische Auseinandersetzungen größeren Ausmasses läßt sie sich jedoch nicht ein. Sie bevorzugt offenbar eine Taktik der Nadelstiche. Bei Feuergefechten an der Grenze zu Albanien wurden gestern zehn Kosovo-Albaner getötet, ein serbischer Polizist und ein Armeeangehöriger wurden im Gegenzug Opfer der Guerilla.

In der Hauptstadt Priština selbst verläuft das Leben noch in „normalen“ Bahnen. Serbische Polizei regelt hier lediglich den Verkehr. Zwar wurden Übergriffe auf die Bevölkerung in den letzten Tagen nicht gemeldet, jedoch hat sich die Stimmung merklich radikalisiert. Denn die Aktionen der Sicherheitskräfte und der UCK sind inzwischen bedenklich nahe an die Stadt herangerückt.

Alle Vorschläge, eine politische Lösung innerhalb der Grenzen des serbischen Staates anzustreben, werden jetzt von allen Gesprächspartnern der unterschiedlichen politischen Strömungen und weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt, auch von jenen Personen, die noch vor wenigen Monaten mit einer Autonomieregelung innerhalb Serbiens zufrieden gewesen wären.

Selbst der Vorschlag, eine eigenständige und mit Serbien und Montenegro gleichberechtigte Republik Kosova zu gründen, der noch vor drei Monaten bei den meisten Gesprächspartnern auf Zustimmung stieß, wird nun abgelehnt. Die Erfahrungen mit den ethnischen Säuberungen in den letzten Wochen hat auch bei den Bewohnern Prištinas die Stimmung umschlagen lassen. „Ich sehe das an mir selbst“, sagt ein Mitarbeiter einer Menchenrechtsgruppe, der bisher für gewaltlosen Widerstand eingetreten war. „Wie soll nach all dem, was geschehen ist, noch ein Zusammenleben in einem Staat möglich sein? Wir kämpfen jetzt für die Unabhängigkeit.“ Erich Rathfelder

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