: „Flüchtlingsarbeit heißt nicht, den Leuten alles zu glauben“
■ Engagement, Angst und Abschiebung prägen Flüchtlingsarbeit / Ein Interview
Wenige Flüchtlinge aus Togo erhalten in Bremen Asyl. 80 TogoerInnen, viele Mitglieder der exilpolitischen Vereinigung „Assorétobre“, droht Ausweisung. Zwei Togoer wurden in diesem Jahr bereits abgeschoben. Unterdessen erkannte das Verwaltungsgericht den prominenten Vorsitzenden von Assorétobre, Charles Eggley, jetzt als politischen Flüchtling an. Eggley kündigte an, für den Schutz seiner politischen Weggefährten zu kämpfen, um deren Leben er im Falle einer Abschiebung fürchtet. Über Abschiebung, Angst und das Engagement deutscher FlüchtlingshelferInnen sprach die taz mit Udo Kasper, Mitglied der Bremer Flüchtlingsinitiative.
taz: Beim Thema Asyl hat sich in Bremen eine Front gegen das Verwaltungsgericht aufgebaut. Kaum jemand erwartet, daß Klagen vor der Asylkammer Aussicht auf Erfolg hätten. Wieso?
Udo Kasper: Ich meine, das Verwaltungsgericht hat seine Hauptaufgabe, einen Asylanspruch zu prüfen, aus den Augen verloren. Es erweckt stattdesen den Eindruck, als ginge es um die Abwehr illegaler Einwanderung.
Woran machst Du das fest?
Daß Eggley nach fünf Jahren endlich anerkannt wurde, erklärt sich in erster Linie aus der extrem guten Beweislage. Für Flüchtlinge ist aber typisch, daß sie in chronischer Beweisnot sind. Das Bremer Verwaltungsgericht erweckt da den Eindruck, nicht von der objektiven Situation in Togo und damit von der Glaubwürdigkeit des Antragstellers auszugehen, sondern davon, daß er ein unglaubwürdiger Wirtschaftsflüchtling ist. Also muß er Beweis führen, daß dies nicht so ist.
Hast Du solche Fälle erlebt?
Ja, ich könnte zwei Fälle nennen. Das beste Beispiel ist Kokovi L., ebenso Michel A. Kokovi wurde vom Bundesamt als politisch verfolgt anerkannt. Nach einem Einspruch des Bundesbeauftragten stellte das Verwaltungsgericht Glaubwürdigkeitsmängel fest. Obwohl es überhaupt keine Zweifel geben kann, daß L. exponierter Exilpolitiker ist, wurde die Asylanerkennung rückgängig gemacht.
Wo im Asylverfahren Beweise fehlen, zählt besonders die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden. Auch deutsche Freunde von Togoern haben selten Beweise; oft kochen die Gefühle hoch. Ist das ein Risiko?
Ich meine ja. Man muß dem Verwaltungsgericht zeigen, daß seine Konstruktionen juristisch nicht haltbar sind. Welche Gefühle ich dabei habe, wenn vielleicht ein Freund von mir vom Gericht als Lügner hingestellt wird, muß ich nicht öffentlich austragen. Wer Flüchtlinge von dem Tag an kennt, wo sie in die Bundesrepublik einreisen, weiß, daß es viele Gründe gibt, nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Viele kommen fehlinformiert und ohne Vorstellung davon, was ihnen schadet. Wenn sie sich auf Details festgelegt haben, die so nicht stimmen, halten sie oft daran fest – und es gibt eben tatsächlich Deutsche, die meinen, daß Flüchtlingsarbeit bedeutet, den Flüchtlingen zu glauben. Das halte ich für falsch.
Was wäre besser?
Man muß auch vor Gericht deutlich sagen, daß die Zweifelhaftigkeit bestimmter Angaben keinesweg bedeutet, daß der gesamte Asylvortrag unglaubwürdig ist. Das ist auch vom Bundesverwaltungsgericht so festgehalten, wird aber in Verfahren der hiesigen Asylkammer absolut travestiert.
Aus Bremen wurden jüngst zwei Togoer abgeschoben; zeitweise hieß es, sie seien tot. Was weißt Du davon?
Ich weiß im Fall des einen, daß er Togo aus Angst wieder verlassen hat. Wir haben telefoniert.
Andere sagen, seine Familie habe erklärt, ihn nicht gesehen zu haben. Wie kommt das?
Das liegt an der Diktatur. Wenn sich ein Togoer oder ein Deutscher bei der Familie des Abgeschobenen melden, hat die panische Angst, es könnte sich um einen Spitzel handeln und verleugnet den Abgeschobenen .
Warum schafft es die togoische Opposition nicht, ihre Mitglieder bei einer Rückkehr so zu begleiten, daß das allseits gefürchtete „Verschwinden“ oder „Verunglücken“ wenigstens nicht unbemerkt geschehen könnte?
Schwierige Frage. Ich glaube, das liegt an der stark ländlichen Struktur Togos. Wer Lomé verläßt, kann so gut wie nicht mehr aufgespürt werden; die meisten Terrorakte werden nicht mehr in Lomé, sondern auf dem Land verübt. Abgeschobene haben auch keinen Grund, noch Kontakt zu deutschen oder togoischen Freunden in Europa zu halten.
Ein spitzfindiger Richter würde sagen, 'das war doch ein politisch denkender Mann, der hier Asyl wollte. Der kennt doch die Bedeutung solcher Kontakte ...'
Ja. Aber der Schock der Abschiebung ist groß. Da ist ja ein Lebensentwurf endgültig gescheitert; man muß wieder den Terror fürchten. Jeder wird schnellstens in die Alltagssorgen Westafrikas eintauchen und sich den gescheiterten Traum schnell abschminken.
Welchen Traum?
Den Traum von einem Leben in Freiheit zum Beispiel.
Fragen: Eva Rhode
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