piwik no script img

EU soll Flüchtlinge in der Türkei stoppen

■ Die Bundesregierung will heute bei der EU durchsetzen, daß in der Türkei Auffanglager für Flüchtlinge aus Asien errichtet werden. Die hätten dann keine Chance mehr auf ein faires Asylverfahren in Westeuropa

Brüssel (taz) – Bundesinnenminister Manfred Kanther möchte die EU dazu bringen, Flüchtlingslager in der Türkei zu finanzieren, damit Asylbewerber aus asiatischen Ländern gar nicht erst in die EU gelangen. Seit Monaten verhandeln deshalb EU-Delegationen mit den türkischen Behörden über die Details. Die Entscheidung könnte schon heute fallen, wenn in Brüssel die politischen Direktoren der 15 EU-Innenministerien mit Vertretern der türkischen Regierung zusammentreffen.

Während die Außenminister in schöner Arbeitsteilung der Türkei ständig Mißachtung der Menschenrechte vorwerfen, wollen die Innenminister ausgerechnet Ankara die Verantwortung für die Anerkennung oder Ablehnung von Asylbewerbern zuschieben. Im Kern würde das bedeuten, daß Flüchtlinge aus dem Irak, dem Iran, Sri Lanka oder Pakistan, die auf dem Landweg über die Türkei nach Europa wollen, praktisch keine Chance mehr auf ein faires Asylverfahren haben. Denn Ankara hat zwar die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben, aber eine Erklärung angehängt, daß die Anerkennung der Konvention nur für Flüchtlinge aus Europa gelte. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR beklagt, daß die Türkei bereits heute wahllos abschiebe.

Wie in vielen Ländern ohne rechtsstaatliches Asylverfahren führt das UNHCR in der Türkei die Prüfung von Asylbewerbern durch, die sich dort bei den Behörden melden. Die türkische Regierung hat zwar zugesagt, von der UNHCR anerkannte Flüchtlinge nicht abzuschieben, doch „die Praxis sieht anders aus“, sagt ein UNHCR- Mitarbeiter. Vor allem Kurden aus dem Irak würden häufig in die unsichere Heimat zurückgeschickt, auch wenn sie das UNHCR-Zertifikat vorweisen können. Viele Flüchtlinge bemühen sich daher erst gar nicht um eine Anerkennung in der Türkei, sondern suchen den Weg nach Westeuropa. Genau das möchte Kanther verhindern. Er verlangt von der EU, daß sie Druck auf die Türkei macht und gleichzeitig finanzielle Unterstützung bereitstellt, damit die Kontrollen an den türkischen Ostgrenzen verschärft und Abschiebelager eingerichtet werden.

Die türkische Regierung steht diesem Anliegen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, macht aber zur Bedingung, daß keine UNHCR-Leute die Lager betreten dürfen. Dahinter steht die Befürchtung, daß Flüchtlinge anerkannt werden und dann in der Türkei bleiben könnten.

Unter den 15 Innenministern der EU- Länder, bei denen letztlich die Entscheidung liegt, hat sich ein harter Kern um Manfred Kanther gebildet, der um jeden Preis eine Vereinbarung mit der Türkei will. Widerstand kommt vor allem aus Dänemark, Belgien und Schweden. Deren Innenminister wollen jede finanzielle Unterstützung durch die EU blockieren, solange das UNO-Flüchtlingshilfswerk nicht mit der Überwachung der Abschiebelager beauftragt wird. „Es wird wohl auf eine Formulierung hinauslaufen“, mutmaßt ein EU-Beamter in Brüssel, „die die Beteiligung des UNHCR möglichst unklar regelt.“ Alois Berger

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen