: Kein „blaues Wunder“ auf Kasse
Männer müssen Viagra selbst bezahlen. Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen lehnt es ab, die Potenzpille Viagra auf Krankenkschein zu verordnen ■ Aus Berlin Annette Rogalla
Männer, die das Potenzmittel Viagra schlucken wollen, müssen auch selber dafür zahlen. Die Krankenkassen werden in keinem Fall die Kosten für den chemisch unterstützten Sex übernehmen. Das entschied gestern der Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen in Bonn.
Formell ist dies nur eine vorläufige Entscheidung. In den kommenden drei Wochen müssen noch die Beteiligten angehört werden, darunter Herstellerfirma und Urologen. Wahrscheinlich wird es jedoch bei dem gestrigen Beschluß bleiben. Viagra ist ohnehin in Deutschland noch nicht als Medikament zugelassen und somit derzeit ohnehin nicht erstattungsfähig.
Der Bundesausschuß begründet seine Entscheidung auch mit der Sorge vor möglichem Mißbrauch. In der Hauptsache fürchtet er aber eine Explosion der Ausgaben im Gesundheitswesen, hätte er die Kostenübernahme für Viagra beschlossen. Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung schätzen die Mehrausgaben zwischen 7,5 und 22,5 Milliarden Mark. Derzeit schlagen alle Arzneimittel mit rund 33 Milliarden Mark zu Buche.
Der gestrige Beschluß dürfte Hunderttausende Männer enttäuschen. Selbst die Experten des Bundesausschusses gehen davon aus, daß in der Bundesrepublik zirka acht Millionen Männer zumindest temporär unter Potenzproblemen leiden, bei etwa 750.000 Männern sollen organische Gründe für die „erektile Dysfunktion“ vorliegen. Hierzu zählen Krankheiten wie Diabetes oder eine Querschnittslähmung.
Impotenz beruht auf mangelnder Versteifung des Penis und wird erektile Dysfunktion genannt. Körpereigene Signale sorgen dafür, daß sich die Gefäßmuskulatur der Schwellkörper entspannt, so daß Blut in die geweiteten Gefäße strömt. Bei jenen Impotenten, denen Viagra helfen könnte, sind die sexuellen Reize aus dem Gehirn zwar vorhanden, führen aber nicht mehr zu einer Versteifung des Gliedes.
Soweit das Gremium sich gestern bemühte, eine medizinische Begründung für die Ablehnung zu finden, mußte die Frage herhalten, ob Sexprobleme als Krankheit zu behandeln sind. „Impotenz ist keine vitale Krankheit wie Krebs“, sagt Ute Galle-Hoffmann, Pharmakologische Beraterin beim AOK Bundesverband, zur taz. Viagra wirke zwar lustverstärkend, helfe aber womöglich nicht in jedem Problemfall. Im Bundesausschuß findet sich offensichtlich aber niemand, der die Wirksamkeit von Viagra generell in Zweifel zieht. Entgegen aller Horrormeldungen über Nebenwirkungen kann das Mittel, unter strenger Aufsicht eines Arztes eingenommen, auch gut verträglich sein.
Allein die Aussicht auf die hohen Kosten, die Viagra verursacht, schockiert Kassen und Ärzte. Eckhard Schupeta, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Angestellten-Krankenkasse, kann mit der gestrigen Entscheidung „gut leben“. Mit Viagra hätte „ein einziges Medikament unser Buget aufgebläht“. Männer, die auf die achteckige Pille angewiesen sind, sollen in jedem Fall selbst zahlen. In der Schweiz, wo Viagra bereits auf Rezept erhältlich ist, kosten vier Pillen 80,50 Franken.
Niemals zuvor hat sich der Bundesauschuß einem Medikament gegenüber mit dem Verweis auf die Kosten verweigert. Dazu dürfte es in nächster Zeit häufiger kommen. Weitere Lustmittel drängen auf den Markt. Ein Medikament gegen Fettsucht steht kurz vor der Zulassung. An solchen Wunderdrogen könnten auch Gesunde Gefallen finden. „Aber nicht auf Kosten der Kassen“, fordert AOK-Frau Galle-Hoffmann, schließlich übernähmen die Kassen ja auch nicht die Kontrazeptiva für Frauen.
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