Krönung light: Heißer Drink in Schwulenszene

■ Kraft-Jacobs-Suchard wirbt in Schwulenmagazinen / Neue Käuferschicht durch Zufall über Frauenwerbung

Bremens altehrwürdiges Kaffeekontor Jacobs, inzwischen aufgegangen im Weltkonzern Kraft-Jacobs-Suchard (KJS), wagt sich vor auf neues Terrain. Neben einem Bericht über das „Tuntenland von Tantolunden“ und der Infoecke „Stockholm stockschwul“ prangt eine ganzseitige Anzeige für die Kaffeesorte „Krönung light“ – im „hinnerk“, dem schwulen Magazin im Norden. Abgebildet ist ein blendend aussehender Jüngling mit blitzenden Zähnen, sympatischem Lachen, das Hemd lasziv aufgeknöpf bis zum Bauchnabel – und in der Hand eine grüne Tasse mit Krönung light. Quer darüber gedruckt steht zu lesen: „Typisch Kaffeetante: Immer Zeit für Krönung light.“ Weiter unten eingeklinkt ist eine Pfundpackung des braunen Wachmacher-Elixiers. Dazu der Spruch: „Halbes Koffein – volles Verwöhnaroma.“ Bremens größter Kaffeeröster verwöhnt die „zahlungskräftige“ Schwulenszene.

Hinter vorgehaltener Hand wird aber aus Jacobs-Kreisen berichtet, daß sich die etwas verknöchert-konservative Handelsabteilung lange gegen diese Klientel gewehrt haben soll. Schließlich sei die Krönung das Vorzeigearoma des Hauses. Letztendlich konnte sich dann aber die zukunftsorientierte Marketingabteilung durchsetzen. Sie hatte auch die besseren Argumente. Denn Krönung light war zu dem Zeitpunkt bereits in der Schwulenszene in aller Munde. Und nur der Absatz zählt – egal ob bei Homos oder Heteros.

Schuld war eine Anzeigen-Kampagne, mit der eigentlich die „junge attraktive Frau angesprochen werden sollte“, berichtet KJS-Sprecherin Nicole Oppermann. „Wir haben mit insgesamt sechs verschiedenen Motiven in bekannten Frauenzeitschriften wie Brigitte oder Für Sie geworben.“ Fünf Anzeigen zeigten Frauen, auf der sechsten war besagter Mann abgebildet. Und der kam in der homosexuellen Szene „sensationell gut an“, berichtet Oppermann. Im Konzern liefen die Telefone heiß. „Viele wollten vor allem fragen, ob sie das Plakat bestellen können.“ So viele Reaktionen kenne man sonst nur von der lila Kuh für Milka-Schokolade. Das reichte dann, um auch der Handelsabteilung klarzumachen: Jetzt wird die Anzeige in Schwulenmagazinen geschaltet – deutschlandweit in den sogenannten „Gay-Combis“, City-Magazinen für die schwule Szene, und anderen einschlägigen Zeitschriften.

Sven Sommer, Anzeigenchef vom hinnerk, findet die Aktion hervorragend. „Sie ist aber mal wieder nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Er bemängelt, daß die Zielgruppe nicht direkt, sondern eher als Abfallprodukt angesprochen wird. „Bei den Firmen geht man da immer noch viel zu vorsichtig vor“, so Sommer. „Die Szene müßte direkt angesprochen werden, dann könnte damit richtig erfolgreich geworben werden.“ Nach seinen Angaben schalten von den großen Unternehmen neben KJS nur noch die Zigarettenmarken West und P&S in Schwulenmagazinen. Und dann gibt es da noch den einen oder anderen „Irrtum“, berichtet Sommer: „Der Kaufhausriese C&A hat momentan als eigenes Banner massenhaft Regenbogenflaggen vor den Häusern flattern – die schwul-lesbische Solidaritätsfahne. Ich glaube nicht, daß C&A das bewußt ist.“

Daß aber auch KJS noch nicht so recht verinnerlicht hat, daß die Schwulenszene eine durchaus zahlungskräftige Klientel mit Kaffeedurst birgt, beweist die künftige Unternehmensphilosophie. Für die „jungen, attraktiven Frauen“ wird in den üblichen Zeitschriften eine neue Werbe-Serie aufgelegt. Diesmal alles Frauen. Zwar will der Konzern seine Anzeigen in den Gay-Combis weiter laufen lassen. Aber nur mit dem alten Bild. Was soll's – die lila Kuh wird schließlich dieses Jahr auch schon 25 Jahre alt. Jens Tittmann