piwik no script img

KommentarZerschlagenes Porzellan

■ Die Politik der Koalition trübt das deutsch-polnische Verhältnis

Daß im bundesdeutschen Wahlkampf so ziemlich alles erlaubt ist, was Wählerstimmen bringt, haben wir bereits mehrfach erlebt. Daß sich der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsparteien dazu hinreißen ließ, die Völkerrechtswidrigkeit der Vertreibung Deutscher aus Polen nach dem Zweiten Weltkrieg zu bemühen, um Vertriebene und ein paar Ewiggestrige noch für das Auslaufmodell Kohl zu begeistern, verwunderte denn doch. Zumal gerade der Nochkanzler ja immer besonders gerne die guten deutsch-polnischen Beziehungen beschwört und sich als Verwalter der polnischen Sache geriert, wenn es darum geht, die Integration des Landes in EU und Nato voranzutreiben.

Und so ist die harsche gestrige Reaktion des polnischen Parlaments auf die Bonner Entschließung vom Mai nicht nur folgerichtig, sondern sogar überfällig. Von Doppelbödigkeiten und gefährlichen Tendenzen, die Anlaß zur Sorge geben, ist in der Erklärung des Sejms die Rede. Trotz des eher moderaten Tons dürfte die Botschaft unmißverständlich sein: Bonn ist auf dem besten Wege, das Projekt der deutsch-polnischen Aussöhnung und Zusammenarbeit den Interessen jener zu opfern, die sich mit den Realitäten einfach nicht abfinden wollen. Die Auswirkungen des völlig unnötigen deutschen Vorstoßes könnten verheerend sein: Daß die Beziehungen auf offizieller Ebene Schaden nehmen und die Kommunikation auf lange Zeit empfindlich gestört werden könnten, ist ein Sache. Eine andere sind die Polen, die, zwischen Begeisterung für eine Westintegration und der Furcht vor den vielen Unbekannten, die dieser Schritt mit sich bringt, hin und hergerissen sind.

Schon seit Wochen herrscht in Polen eine diffuse Angst ob der Ankündigung bestimmter Kreise in Deutschland, sich, sollte Polen Mitglied der EU sein, durch diese Hintertür Eigentum zurückzuholen und alte Ansprüche wieder geltend zu machen. Eine Resolution wie das „Meisterstück“ aus Bonn muß dieses Gefühl der Bedrohung zwangsläufig anheizen – was bestimmte Gruppierungen in Polen weidlich ausnutzen.

Die polnische Regierung kann nicht mehr tun, als den Schaden zu begrenzen. Jetzt ist Bonn gefragt. Blickt man auf das Gerangel um die Versöhnungserklärung mit Tschechien im letzten Jahr, gibt es zu Optimismus wenig Anlaß. Doch vielleicht haben einige in Bonn doch begriffen, was auf dem Spiel steht. Barbara Oertel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen