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SPD-Bremen im virtuellen Wahlgetöse

■ Interview mit Fraktions-Chef Christian Weber zu Jugendkriminalität im Wahlkampf

Wo steht die Bremer SPD? Soll die Debatte um Jugendkriminalität aus dem Wahlkampf herausgehalten werden, wie vor kurzem gefordert wurde? Oder setzt die SPD auf die Forderungen der Bundes-SPD, die am Montag ihre Leitlinien für mehr Innere Sicherheit präsentiert hatte? Ein Gespräch mit dem Bremer SPD-Chef Christian Weber.

Am 3. Juli titelte die SPD in einer Presseerklärung: „SPD: Kriminalitätsdebatte aus dem Wahlkampf heraushalten.“

Richtig. Daran tut man gut.

Genau das Gegenteil ist passiert, indem der SPD-Innenminister in spe, Otto Schily, am Montag sein Konzept der Inneren Sicherheit vorstellte...

Nein. Ganz im Gegenteil. Es gibt jetzt in der Vorwahl-Phase Positionen zu Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Kulturpolitik ... Die Menschen haben ein Recht dazu, zu erfahren, wie wir zu dem Thema der Inneren Sicherheit stehen.

Das, was Schily gesagt hat, ist sehr plakativ ...

Das ist nicht plakativ, sondern sehr differenziert dargestellt.

Da steht zum Beispiel: „Die Heimunterbringung in geschlossenen Heimen soll in Betracht gezogen werden...“

Ja, natürlich. Das ist doch nicht plakativ. Das schließt doch auch unser innenpolitischer Sprecher in der Bürgerschaft, Horst Isola, nicht aus, bei hochgradig kriminellen Jugendlichen. Wir sagen doch jetzt nicht, daß die geschlossenen Heime wiederkommen sollen.

Setzt die SPD jetzt auf Themen der CDU?

Nein. Die CDU mag ähnliche Positionen haben wie die SPD auch. Aber die „SPD beißt, bevor die CDU bellt“, wie ganz treffend in einer Überschrift der taz zu lesen war. Auch der Grüne Abgeordnete Martin Thomas hat letztes Jahr in der Bürgerschaft nach den Vorfällen in Kattenturm gesagt, es wäre wichtig, auf die subjektiven Ängste vor Kriminalität in der Bevölkerung zu reagieren. Das ist nicht Populismus, sondern entspricht einem Sicherheitsbedürfnis in den Ballungsräumen.

Es handelt sich also um ein subjektives Sicherheitsgefühl?

Es ist ein subjektives Gefühl, wenn ältere Menschen sich vorm Handtaschenraub ängstigen. Natürlich ist eine Lücke zwischen subjektiver und objektiver Gefährdung festzustellen. Aber wie schon Herr Thomas sagt: Das muß man ernst nehmen.

Horst Isola hat in der Presseerklärung am 3. Juli auch geschrieben: „Die Debatte über den Umgang mit jugendlichen Straftätern und Fragen zur Jugendkriminalitätspolitik müssen aus dem Wahlkampf und dem Parteiengezänk herausgehalten werden.“

Das ist eine grundsätzliche Aussage, die ich voll unterstütze.

Das Thema sei „viel zu sensibel und komplex, um für Wahlkampfzwecke mißbraucht zu werden“.

Man sollte das aus dem Wahlkampf heraushalten, das sagte ich bereits. Aber es ist ein Stück des Parteiprogramms, und so soll es auch benannt werden.

Es gibt Studien, die besagen, daß es zu platt sei, zu sagen, die Jugendkriminalität ist angestiegen.

Daß es einen Anstieg gibt, wird von niemandem bezweifelt.

Es gibt vor allem einen Anstieg von Bagatelldelikten...

Ja, aber es war in der Vergangenheit falsch, die Straftaten zu bagatellisieren.

Die Presseerklärung von Horst Isola am 3. Juli war in meinen Augen ein Appell, das Thema aus dem Wahlkampf rauszuhalten. Jetzt ist das aber doch passiert...

Ich finde nicht, daß das Thema im Wahlkampf ist. Wenn Schröder morgen den Kandidaten für den Außenministerposten vorstellt, ist das Thema draußen. In zwei Monaten ist die Wahl. Die Parteien haben doch das Recht, zu sagen, was sie für Programme haben.

Fragen: Christoph Dowe

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