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„Der Jude ist der Blutsauger“

Militante Schwarzenführer rufen in New York zum „Million Youth March“, und ein paar Tausend kommen sogar und hören sich die Volksverhetzung selbsternannter radikaler Black-Panther-Nachfolger an  ■ Aus New York Max Böhnel

Ist der Redner völlig abgedreht? Khalid Muhammed ist zum Ende seiner haßerfüllten Ansprache gekommen, trotzdem hämmert er über das Podiumsmikrophon ein letztes Stakkato in die Demonstrantenmenge. „Schaut diesen Bastarden in die Augen“, überschlägt sich seine Stimme, während er auf die Hunderte von Cops in Kampfuniform deutet. „Wenn euch einer von denen angreift, dann schlagt ihn mit dem Absperrgitter zu Brei. Jeder von denen hat eine, zwei, vielleicht drei Knarren. Wenn sie euch angreifen, nehmt ihnen die gottverdammten Knarren weg und benutzt sie gegen sie.“ Vor ihm jubeln 6.000, vielleicht 8.000 Jugendliche.

Der Mann in der brokatbestickten Toga beansprucht das Erbe der militanten „Black Panther Party“ aus den sechziger Jahren, und er bemüht den Begriff der „Selbstverteidigung“, um nicht verhaftet zu werden, ebenso wie seine über zwanzig Vorredner an diesem Samstagnachmittag. Auf dem „Million Youth March“, der gegen wochenlangen Widerstand der Stadt New York und ihres Bürgermeisters Rudy Giuliani am Ende auf richterliche Verfügung hin doch stattfinden durfte, ließen schwarze Nationalisten ihrem Haß gegen Weiße und Juden freien Lauf. New York hieß „Jew York“, der „weiße Mann“ wurde verantwortlich gemacht für den „größten Holocaust in der Geschichte“, nämlich für den „schwarzen Holocaust“.

Der Mann mit der Glatze, der zwei Rolls Royce und eine Millionenvilla sein Eigen nennt und derzeit die verhaßteste Person in New York ist, macht vor Demonstranten und der versammelten Weltpresse klar, daß er nicht falsch zitiert wurde: „Hört auf, mich über die gottverdammten Juden zu fragen“, brüllt er, und alle hören es: „Der Jude ist der Blutsauger der schwarzen Nation.“

Die Kundgebung findet unter strengen Auflagen statt: keine Verkaufsstände, keine kulturellen Darbietungen, ausschließlich Redner, und nach vier Stunden ist Schluß. Niemand wußte, wie viele Teilnehmer anreisen würden. Der rechte Bürgermeister der Stadt begab sich ostentativ zu einem Baseballspiel nach Brooklyn und wiederholte dort vor Journalisten, es handele sich um einen „Haßmarsch“. Er hatte Tausende von Polizisten aus dem Urlaub zurückbeordert und die vier U-Bahnstationen in unmittelbarer Nähe zum Kundgebungsort, dem Malcolm- X-Boulevard, sperren lassen.

Viele New Yorker befürchteten ein Blutbad. Und nun ist es exakt eine Minute vor vier, und während Khalid Muhammed die letzten Sätze ausspeit, rücken mehrere Hundertschaften weißer Cops in Kampfuniform mit Knüppeln an, als wollten sie Bühne von hinten stürmen. Während sich Muhammed über die „stiefelleckenden Uncle Toms“ ausläßt, die traditionellen schwarzen Gemeinschaftsführer von Harlem, donnert ein Polizeihubschrauber im Tiefflug über die Rednerbühne. Muhammed grüßt die Menge mit „Salam aleikum“ und verläßt von fünfzehn sonnenbebrillten Leibwächtern abgeschirmt, das Podium.

Einige Sekunden später steht dort oben die Polizei, breitbeinig und die Knüppel vor sich verschränkt, und starrt in die Menge. Die Cops ducken sich vor einigen Flaschen. Und die verbliebenen Tausend, die die Stellung gehalten haben, trotten nach Hause.

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