: Totengräber oder Freiheitsheld
Mit einem Zeitungsinterview hat Luis Posada Carriles für Unruhe unter Exilkubanern in den USA gesorgt. Posada, der selbst als unerbittlicher Feind Fidel Castros gilt und erstmals Details seiner Terroroperationen preisgab, brachte schwere Vorwürfe gegen die in der Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung organisierten Castro-Gegner und die CIA vor ■ Von Knut Henkel
Niemand hätte erwartet, daß sich Luis Posada Carriles je einem Interview stellen würde. Um so überraschter war die Journalistin Ann Luise Bardoch von der New York Times, als der ehemalige Geheimdienstler ihre Interviewbitte nicht ausschlug, sondern sie in sein Haus einlud und sich zwei Tage Zeit nahm, um ihre Fragen zu beantworten.
Posada hat allen Grund, äußerst vorsichtig bezüglich seiner Gesprächspartner zu sein, denn der Siebzigjährige hat sich im Lauf seiner Karriere als Geheimdienstler und Sicherheitsberater verschiedener Regierungen nicht nur Freunde gemacht. Das bekam Posada wiederholt zu spüren – zuletzt am 28. Februar 1990 mitten in Guatemala-Stadt. Drei Attentäter nahmen sein Auto am hellichten Tag an einer Ampel unter Beschuß. Zwölf Kugeln schlugen in seinen Körper ein; trotzdem gelang es dem Schwerverletzten, seinen Wagen zu einer Tankstelle zu lenken und dem Tankwart einen Zettel mit der Bitte um Hilfe zuzustecken. „Zwei Jahre und drei Operationen dauerte es, bis ich wiederhergestellt war“, erinnert sich Posada.
Hätte er damals nicht geistesgegenwärtig auf dem Zettel vermerkt, daß er Sicherheitsberater des damaligen Präsidenten Vinicio Cerezo sei, wäre ihm wohl nicht so schnell geholfen worden, ist er sich sicher. Genauso sicher ist er, daß es kubanische Geheimagenten waren, die ihn damals kidnappen und nach Kuba schaffen wollten. „Verhören wollten sie mich und mein Geständnis live im Fernsehen bringen“, glaubt der Mann, der sein ganzes Leben einem einzigen Ziel widmete: die Regierung Fidel Castros zu stürzen. Anschläge gegen kubanische Einrichtungen, wie die Bombenanschläge auf kubanische Hotels, die letztes Jahr für Aufsehen sorgten, gehören genauso in sein Repertoire wie der Versuch, Fidel Castro ins Jenseits zu befördern. Dabei konnte er sich – dem Interview zufolge – darauf verlassen, daß CIA und FBI beide Augen zudrückten und daß die einflußreichste Organisation des kubanischen Exils, die Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung (CANF), ihn finanziell unterstützte.
Geboren wurde Posada am 15. Februar 1928 in Cienfuegos, einer ehemals eleganten Küstenstadt. Als er gerade siebzehn geworden war, entschloß sich sein Vater, ein Buchhändler mit eigener Druckerei, ins rund dreihundert Kilometer entfernte Havanna überzusiedeln. Den ältesten seiner drei Söhne, Luis, schickte Vater Carriles an die dortige Universität. Sein Sprößling sollte Medizin studieren, wechselte aber nach zwei Jahren zur Chemie über. Gut erinnert sich Posada noch an einen Jurastudenten, der drei Jahrgänge über ihm studierte und von einem Schwarm von Fans umgeben war. „Angezogen wie ein Gangster, übertrug er diesen Stil auch auf die Studentenpolitik“, schildert er seinen ersten Eindruck von Fidel Castro.
Für Politik hatte der Heranwachsende damals nicht viel übrig, obgleich er den Diktator Fulgenico Batista ablehnte. Erst im Laufe des Bürgerkriegs und mit dem Einmarsch der Revolutionäre um Fidel Castro sollte sich dies ändern. Doch während seine Eltern und Brüder die kubanische Revolution unterstützten und seine Schwester Maria Conchita Posada de Perez sogar in die Armee eintrat, opponierte Luis offen gegen die neue Regierung.
Seine oppositionelle Haltung wollte der Mann mit dem silbergrauen Haarschopf auch gegenüber den Journalisten nicht erklären. Mehr als Platitüden, wie „Alle Kommunisten sind gleich. Alle sind schlecht und von teuflischer Herkunft“, waren ihm nicht zu entlocken. Wegen „oppositioneller Umtriebe“, so ein Bericht des kubanischen Geheimdienstes, landete Posada bereits 1960 für einige Monate in einem Militärgefängnis. Danach waren die Würfel für ihn gefallen: Er wollte gegen Fidel Castro kämpfen. Direkt nach seiner Haftentlassung wandte sich der 33jährige mit einem Asylantrag an die argentinische Botschaft. Wenige Monate später, im Februar 1961, verließ er Kuba und meldete sich, in Miami angekommen, unverzüglich als Freiwilliger für die Invasion in der Schweinebucht.
Im Trainingscamp in Guatemala begegnete der selbsternannte Freiheitskämpfer einem Gleichgesinnten: Jorge Mas Canosa, dem späteren Vorsitzenden der CANF. Weder Canosa noch Posada setzten bei der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht einen Fuß auf kubanischen Boden, da ihr Schiff angesichts fehlender Luftunterstützung die Brigade erst gar nicht an ihren Einsatzort im Osten Kubas brachte. Zurück in den USA meldeten sich Posada und Canosa, längst Freunde, bei der Offiziersanwärterschule in Fort Benning. Nach sieben Monaten intensiver Schulung quittierten sie den Dienst – ihnen war klar geworden, daß es keine zweite Kubainvasion geben würde.
Während sich Mas Canosa alsbald dem Aufbau seiner eigenen Firma widmete, ohne jedoch den Kontakt zu extremistischen kubanischen Zirkeln in Miami zu verlieren, ging Posada zur CIA, wo er eine Spezialausbildung erhielt: „Sie brachten uns alles bei – sie lehrten uns, mit Sprengstoff umzugehen, wie man tötet, bombt, trainierten uns für Sabotageakte“, gibt Posada Einblick in seine Ausbildung. Posada versorgte sowohl die CIA als auch das FBI mit Informationen über die extremistischen Aktivitäten der Miamikubaner. Es war auch die CIA, die Posada beauftragte „ein Trainingscamp für Guerillaoperationen gegen Castro einzurichten“, wie aus den Berichten des Untersuchungsausschusses zum Mord an Präsident John F. Kennedy hervorgeht.
Mit den Aktivitäten Posadas muß die CIA sehr zufrieden gewesen sein, denn zum einen wurde Posada nach eigenem Bekunden schnell zu einem „wichtigen Agenten“, zum anderen stuft ihn ein CIA- Bericht aus dem Jahre 1966 als „in allen Belangen als exzellent“ ein. Doch alsbald begann Posada der CIA-Kontrolle zu entgleiten.
Er meldete nicht mehr alle seine Aktivitäten an die „Firma“, wie die CIA in den USA gern genannt wird, ließ sich auf „geheime Sabotageaktionen“ ein, die nicht mit der CIA-Führung koordiniert wurden, und scheute sich auch nicht, mit zwielichtigen Gestalten zu verkehren, wie im CIA- Bericht von 1968 zu lesen ist.
Der Agent war zu eigenständig geworden, was höchstwahrscheinlich auch der Grund war, weshalb Posada an den venezolanischen Geheimdienst vermittelt wurde, wo er in leitender Funktion bei der Guerillabekämpfung tätig wurde.
Doch sein wichtigstes Ziel, den Sturz der Regierung Castro, verlor der Geheimagent nie aus den Augen. So holte er Orlando Bosch, einen ehemaligen kubanischen Kinderarzt, der sich für den bewaffneten Kampf gegen die Regierung Castro entschieden hatte, nach Venezuela, um von dort aus Sabotageaktionen gegen Kuba zu starten.
Eine dieser Aktionen, an der Posada selbst nicht beteiligt gewesen sein will, ist die Sprengung eines kubanischen Zivilflugzeuges. Kurz nach dem Start vom Flughafen Bridgetown auf Barbados explodierte die Maschine der Cubana de Aviación. Alle 73 Insassen kamen bei dem Anschlag am 6. Oktober 1976 ums Leben. Posada und Bosch gerieten daraufhin in den Fokus der venezolanischen Ermittler und landeten hinter Gittern. Obgleich Posada nie für den Anschlag verurteilt wurde, verbrachte er neun Jahre im Gefängnis – die „Firma“ hatte ihn fallengelassen.
Für die kubanische Seite ist Posada Carriles spätestens seit diesem Anschlag ein „Monster“, ein „Terrorist und Drahtzieher des schmutzigen Krieges gegen Kuba“. In Miamis kubanisch dominiertem Stadtteil Klein-Havanna wird Posada Carriles hingegen als „Held des kubanischen Freiheitskampfes“ verehrt – zumindest in den militanten Zirkeln der Unverbesserlichen. In jenen Kreisen finden auch seine naiven Ölgemälde kubanischer Landschaften willige Käufer.
Die Muse hat den Künstler nicht irgendwo geküßt, sondern im venezolanischen Gefängnis, wo er viel Zeit hatte, neue Hobbys zu entdecken. Zu den Entdeckungen aus jenen Tagen gehört auch die Schreiberei, die zweite angebliche Finanzierungsquelle Posada. Über sein Talent konnte sich die Öffentlichkeit in einer 1994 erschienenen Autobiographie mit dem Titel „The Roads of the Warrior“ ein Bild machen. In diesem Buch hatte Posada bereits geschrieben, daß es Mas Canosa war, der ihm 1985 die Flucht aus venezolanischer Haft ermöglichte. Im Priesterornat verließ er unbehelligt die Strafanstalt und setzte sich nach El Salvador ab, wo Felix Rodriguez, ebenfalls Exilkubaner und CIA-Agent auf ihn wartete: der mit allen Wassern gewaschene Posada wurde gebraucht.
Diesmal war es die US-amerikanische Regierung, die seine Dienste in Anspruch nahm. Er sollte den nicaraguanischen Contras zuarbeiten, deren Versorgung mit Waffen im Rahmen des von Ronald Reagan initiierten „Kreuzzugs gegen den Kommunismus“ sicherstellen. Das Ganze flog letztlich mit der Iran-Contra-Affäre auf, die den Reagan-Vertrauten Oliver North den Job kostete.
Posada Carriles hingegen blieb ungeschoren. Er ging als Sicherheitsberater des damaligen Präsidenten nach Guatemala. 1990 sah sich der Mann, der immer einen Revolver bei sich trägt und laut CIA ein exzellenter Schütze ist, allerdings dazu gezwungen, eine Schaffenspause einzulegen. Zum ersten Mal war der überaus vorsichtig agierende Posada, von dem seit 1967 kein Foto mehr gemacht worden sein soll, ungeschützt aufgespürt worden.
Mit knapper Not überlebte der damals 61jährige ein Attentat auf offener Straße, dessen Folgen ihn bis heute zeichnen. Seitdem habe sich vieles im Leben Posadas geändert, berichten Freunde des in die Jahre gekommenen Antikommunisten, dem nahezu alle ungelösten Sabotageakte in Kuba angekreidet werden.
Damals habe er angefangen zu schreiben, weil er es leid war, immer wieder spekulative Artikel über sich und seine Aktionen zu lesen. Und auch das Interview habe er letztendlich aus der Angst heraus gegeben, er könne nicht mehr lange genug leben, um seine Geschichte zu erzählen. Ungewohnte Töne aus dem Umfeld des kalten Kriegers, der seit langem von seiner Frau und den beiden erwachsenen Kindern, Jorge und Janet, getrennt lebt. Sollte der Hardliner auf seine alten Tage um seinen Platz in den Geschichtsbüchern fürchten?
Um den muß sich Luis Posada Carriles keine Sorgen machen, denn zum einen hat er mit seinen Äußerungen so viel Staub in den USA aufgewirbelt, daß es noch einen nach ihm benannten Untersuchungsausschuß geben könnte. Außerdem könnten seine Ausführungen bald wichtig werden, denn erstmals wurde kürzlich in den USA gegen CANF-Mitglieder wegen eines Mordkomplotts gegen Fidel Castro Anklage erhoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen