: Integration teurer als Aussonderung
■ Bremens letzter Sprachheilschule geht es an den Kragen / In ihre Räume zieht die Internationale Schule / Eltern protestieren
Der achtjährige Robert stottert. Ganz fürchterlich – und muß sich, um Aufmerksamkeit zu bekommen, schon mal der Arme und Beine bedienen – am besten gleichzeitig. So ist das, sagt Ingrid Breitinger, Schulelternsprecherin an der Thomas-Mann-Sprachheilschule, „sprachauffällige Kinder sind manchmal notgedrungen hyperaktiv.“ Oder aber sie ziehen sich ganz in ihr Schneckenhaus der Sprachlosigkeit zurück. Robert nicht. Der kommt jetzt nach zwei Jahren Sprachheilschule auf die normale Regelschule und ist für Ingrid Breitinger, Elternvertreterin an der Sprachheilschule in der Thomas Mann Straße, ein Beispiel für die erfolgreiche Integration durch Sonderschulen. Besser als durch Integrationsklassen, findet sie: Zumindest, wenn da 24 normal genannte Kinder mit einer LehrerIn um drei lern- oder sprachbehinderte Kinder herumtoben.
Ihre Thomas-Mann-Schule aber wird jetzt abgebaut – und Sonderschulen soll es in Zukunft in Bremen ja sowieso nicht mehr geben. Dies steht seit vier Jahren im bremischen Schulgesetz, und mancher Schritt in diese Richtung wurde inzwischen gegangen. In Bremen Nord, in Huchting. Und auch in Gröpelingen und der Neustadt geht es jetzt los mit der Umwandlung von Sonderschulen in Förderzentren. Aus dem Bremenr Westen kommen deswegen keine Schüler mehr in die Thomas-Mann-Straße. Fürs kommende Schuljahr hat der Osten ein Förderzentrum beantragt – für die Sonderschule bedeutet das dann bald das endgültige Aus. Schon heute sitzen hier in vier Klassenräumen die drei Schüler der neuen privaten Internationalen Schule (die taz berichtete) – und das sei auch gut so, sagt der Sprecher der Bildungsbehörde, Rainer Gausepohl. „Die Internationale Schule ist dort auf Erweiterung angelegt.“ Und Schulanfänger mit Sprachbehinderungen werden dann endlich in die regulären Schulen integriert, so Werner Willker, der früher selbst Leiter der Sprachheilschule war und heute den Aufbau der neuen Förderzentren im Bremer Westen organisiert. 2,6 Förderstunden pro Woche stehen den Kindern im Durchschnitt zu, betroffen ist ungefähr jedes zwanzigste Bremer Kind. Die frei werdenden Sonderpädagogen, die jetzt im Pool der Förderzentren sitzen, kommen dann zu ihnen in die Grundschulen. Integration: effektiv und kostenneutral.
Jawohl: „Kostenneutral!“ sagen die Elternsprecherin der Thomas-Mann-Schule und ihr Konrektor Peter Puppe. Die private Schule in ihren Räumen hingegen bekommt für die nächsten acht Jahre bis zu einer Million Mark vom Wirtschaftssenator. „Wir verstehen natürlich, daß so ein international gebildeter Schüler Bremens Wirtschaft lieber ist als unsere Sonderschüler“, sagt Peter Puppe. Aber eigentlich hätte man auch schon vor vier Jahren gewußt, daß Integration kostenneutral nicht machbar sei. In Bremen-Nord habe es jetzt einen Zwischenbericht über die praktischen Erfahrungen mit den neuen Förderzentren gegeben: „Die Lehrer fühlen sich von der Behörde absolut verheizt, und die Eltern sehen, daß ihre Kinder keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen.“ Vor allem Kinder mit sprachlichen Behinderungen und Entwicklungsstörungen würden in den Grundschulklassen kaum Förderung bekommen: Anders als viele der Kinder mit Lernbehinderung würden die mit ihren Problemen nämlich nicht weiter auffallen. „Stimmt“, gibt Werner Willker zu. Doch das Integrationskonzept werde man in der Bildungs-Behörde deshalb nicht aufgeben. Für die Kinder im Bremer Westen werden jetzt Nachhilfekurse eingerichtet. Integration mit Stützrädern sozusagen. ritz
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