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Gericht: Kein Mord im Fall Grams

„Wir wissen schlichtweg nicht, was genau passiert ist“, sagt der Richter im Zivilprozeß um den Tod des RAF-Mitglieds Grams. Verdacht gegen GSG9 unzureichend  ■ Aus Bonn Thorsten Denkler

Es war nur ein Freispruch zweiter Klasse für die Bundesrepublik Deutschland. Das Landgericht Bonn wies gestern eine Zivilrechtsklage der Eltern des früheren RAF-Mitglieds Wolfgang Grams gegen den Bund ab. Grams war bei einem GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen vor fünf Jahren getötet worden (Az.: 10274/96 LG Bonn). Nach zwei Verhandlungstagen mit Ortstermin in Bad Kleinen steht für die 1. Zivilkammer unter dem Vorsitz von Richter Heinz Sonnenberger „nicht zur hinreichenden Überzeugung fest“, daß Grams von einem Beamten der GSG9 getötet wurde. Sonnenberger: „Wir wissen schlichtweg nicht, was genau passiert ist.“

Bei der Aktion unter dem Decknamen „Weinlese“ im Juni 1993 wurde Grams Lebensgefährtin, das RAF-Mitglied Birgit Hogefeld, verhaftet. Er selbst konnte zunächst flüchten. Bei der Verfolgung durch die Grenzschützer kam es zum Feuergefecht, bei dem der Beamte Michael Newrzella getötet wurde. Grams wurde von drei Kugeln getroffen und stürzte aufs Bahngleis, so der Richter. Die Eltern Ruth und Werner Grams sind überzeugt, daß ein GSG-9-Mann wenig später dem reglos daliegenden Grams die Waffe entriß und ihn mit einem aufgesetzten Schuß in den Kopf tötete. Weil ein Strafverfahren bisher nicht durchzusetzen war, gingen die Eltern den Umweg einer Zivilklage: Vom Staat fordern sie 12.305 Mark Überführungs- und Beerdigungskosten zurück. Geld, das ihnen zustünde, könnte eine Schuld der Beamten nachgewiesen werden.

Was tatsächlich geschah, weiß niemand. Vieles, so das Gericht, spreche für Selbsttötung. Einem Zeugen, der gesehen haben will, wie Grams förmlich exekutiert worden sei, schenkte das Gericht keinen Glauben: „Es ist nicht einmal sicher, ob er überhaupt am Tatort war.“ Außerdem neige der Mann zum „Fabulieren“. Auch die Kioskverkäuferin Johanna Baron, Hauptzeugin der Kläger, war sich bei der Vernehmung nicht mehr sicher, was sie gesehen habe. Auf keinen Fall aber konnte sie nach Ansicht des Gerichts den tödlichen Schuß beobachtet haben: Sie habe sich zu diesem Zeitpunkt schon in einem Schrank in ihrem Kiosk versteckt. Die verschiedenen, zum Teil wiedersprüchlichen Gutachten brachten das Gericht auch nicht weiter. Obgleich fast alle die Selbsttötungstheorie für die wahrscheinlichere hielten, schloß kein Gutachter Fremdtötung vollkommen aus. Die Anwälte der Familie Grams wollen jetzt prüfen, ob sie in die Berufung gehen. Rechtsanwalt Groß: „Wir wissen, daß Beweismittel vernichtet wurden. Das hat das Gericht trotz des ausgesprochen fairen Verfahrens nicht zur Kenntnis genommen.“

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