: Kommunistisch gespiegelte Bürokraten
Redundant und selbstgerecht: „'Roter Holocaust'? Kritik am Schwarzbuch des Kommunismus“ ■ Von Katja Lüthge
„Wer von Kommunismus reden muß, wenn er auf den Nationalsozialismus angesprochen wird, ist nicht auf Erkenntnis aus, sondern auf Propaganda“, schreibt der Konkret-Chef Hermann L. Gremliza in der Aufsatzsammlung Roter Holocaust?. In dem Band, so die Herausgeber Jens Mecklenburg und Wolfgang Wippermann, soll eine „sachgerechte politische und wissenschaftliche Kritik“ am Schwarzbuch des Kommunismus gebündelt werden. Das von Stéphane Courtois u.a. herausgegebene 1000seitige Werk hatte bei seinem Erscheinen 1997 in Frankreich und 1998 in deutscher Übersetzung mit seiner These, Kommunismus und Terror seien gleichursprünglich und im übrigen hätten die Kommunisten viermal so viele Menschen wie die Nationalsozialisten getötet, zu heftigen (Gegen-)Reaktionen geführt.
Von einem antifaschistischen, linken Standpunkt aus scheint „sachgerechte Kritik“ allerdings zu bedeuten, vor allem vom Nationalsozialismus zu sprechen, wenn „kommunistische Verbrechen“ thematisiert werden. Dies erscheint den Autoren um so notwendiger, als nicht nur das Schwarzbuch selbst, sondern auch dessen zustimmende Rezensionen von FAZ bis taz allein eines zum Ziel hätten: die „Delegitimierung der Linken“ und die „Relativierung von Auschwitz“. Der Illustration dieser These sind unter anderem das Vorwort und die ersten Kapitel über die Rezeption des Schwarzbuchs in Frankreich und Deutschland gewidmet.
Die mit wenigen Ausnahmen selbstgerechte und redundante Rhetorik des Sammelbandes erschwert es, seine berechtigte Kritik am Schwarzbuch angemessen zu würdigen. Zutreffend wird die flotte, von Ort und Zeit ungetrübte Subsumierung disparater Staaten unter dem schwammig bleibenden Begriff Kommunismus durch den Herausgeber Stéphane Courtois moniert. Ebenso einsichtig wird der exzessive Gebrauch der Totalitarismustheorie zurückgewiesen. Diese hat Ehrhart Neubert in der erweiterten deutschen Ausgabe des Schwarzbuchs nicht nur von den „beiden deutschen Diktaturen“ sprechen lassen. Vielmehr imaginierte er von dort aus eine bruchlose Spur des Terrors vom Gulag in die Sporttrainingslager der DDR.
Mit Recht beharren die Autoren auf der „Einzigartigkeit des Holocaust“ und der Unterschiedlichkeit von Nationalsozialismus und Kommunismus. Erschütternd hingegen ist ihre Weigerung, die durch kommunistische Regimes massenhaft begangenen Greueltaten zu verurteilen. Über die „repressiven Seiten“ des Stalinismus, so legen es Andreas Dietl/Stefan Vogt nahe, darf man dessen antifaschistisches Wesen nicht vergessen. Mehr noch, verweist Daniel Bensaid auf einen markanten Unterschied zwischen „braun und rot“: Während die „Nazis stolz auf ihr Werk waren“, konnten sich „die stalinistischen Bürokraten im Spiegel der kommunistischen Ideen nicht ins eigene Gesicht sehen“.
Aber warum eigentlich nicht? Wie Wolfgang Wippermann konzediert, wurden die Deportationen von Volksgruppen unter Stalin seit Mitte derr30er Jahre mit „äußerster Brutalität“ durchgeführt. Sie könnten deshalb auch „verbrecherisch“ genannt werden. Von den Opfern des nationalsozialistischen „Rassenkriegs“ unterscheiden sich die Deportationsopfer laut Wippermann aber grundsätzlich: Der gegen sie erhobene „Kollaborationsvorwurf“ war „nicht völlig grundlos“.
Jens Mecklenburg/Wolfgang Wippermann (Hrsg.): „Roter Holocaust“? Kritik des Schwarzbuchs des Kommunismus. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1998, 294 Seiten, 39 Mark
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