piwik no script img

Frauenknast mit Rosa-Luxemburg-Gedenkzelle

■ Im Rathaus Kreuzberg zeigt eine Ausstellung die Geschichte des Frauengefängnisses Barnimstraße

Zwischen den Abteilungen „Personal und Verwaltung“ und „Wirtschaft und Finanzen“ findet man derzeit auch Interessantes im Kreuzberger Rathaus: Die Galerie Olga Benario zeigt dort bis zum 26. November die Ausstellung „Frauen in Haft“. Die Macherinnen schildern die spezifische Situation von Frauen hinter Gefängnismauern im Wandel der Jahrzehnte. Als Exempel dient das ehemalige Frauengefängnis in der Barnimstraße in Friedrichshain.

„Kriminalität von Frauen erklärten die Kriminalisten lange mit der Unweiblichkeit der Delinquentinnen“, so Ausstellungsleiterin Claudia von Gélieu, „schließlich galten Frauen als entweder nicht intelligent oder nicht kräftig genug, um eines Verbrechens fähig zu sein“. Daraus folgten spezifische Resozialisierungsmaßnahmen. Zwangsarbeit in Küche, Wäscherei und Näherei sollte die Gefangenen in der 1864 eröffneten Haftanstalt auf ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereiten.

Erst die Nationalsozialisten änderten diese Praxis. Nun fanden die Inhaftierten in der Rüstungsproduktion ihre zwangsweise Betätigung. Die AEG, so von Gélieu, habe selbst den Gefängnisflur in eine Fließbandhalle verwandelt.

Auch die Verwaltung stand im Zeichen des Kampfes der Geschlechter. 1913 übertrug die Justiz erstmals einer Frau die Aufsicht über eine Haftanstalt. Ausschlaggebend war nicht das Ringen um Gleichstellung, sondern die Ökonomie: „Da nun eine weibliche Kraft nicht das gleiche Gehalt wie eine männliche erhalten kann“, so eine Stellungnahme des Finanzministeriums, durften nun auch Frauen Karriere machen.

Vor allem aber widmet sich das No-budget-Projekt der Perspektive der Inhaftierten. Bild- und Textdokumente geben Zeugnis von den individuellen Schicksalen der Gefangenen. Waren zunächst Delikte wie Abtreibung und Prostitution Haftgründe, so nahmen bis 1945 politische Vergehen zu. Zu den bekanntesten Insassen zählen Rosa Luxemburg und und die kommunistische Funktionärin Olga Benario. Ihr Name stand auch Pate für die 1984 von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi- Regimes (VVN) ins Leben gerufene Geschichtswerkstatt.

Auch ein Mann hat in der Ausstellung seinen Platz: Erich Honecker war 1945 als Zwangsarbeiter an Luftschutz- und Reparaturarbeiten in der Barnimstraße beteiligt, während Brandbomben auf den Gebäudekomplex fielen.

In der DDR blieb die Anstalt, um eine „Rosa-Luxemburg-Gedenkzelle“ bereichert, zunächst in Betrieb. Eine Reform des Vollzugs Ende der vierziger Jahre unterband die Volkspolizei mit dem Verweis auf „Humanitätsduselei“ und „Versöhnlertum“. Erst 1974 wich die Haftanstalt einer Neubebauung des Areals. Andreas Spannbauer

Rathaus Kreuzberg, Yorckstr. 4-11, bis 26. November, Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen