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1998 war kein Jahr der Rückkehr

Organisationen und Politiker beraten in Madrid über den Friedensprozeß in Bosnien. Drei Jahre nach Dayton warten viele Flüchtlinge immer noch auf Rückkehr  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

„Bosnien und Herzegowina müssen die Zeit nutzen, um ein Leben ohne internationale Hilfe vorzubereiten“, lautet der Kernsatz dessen, was heute am Ende der Balkankonferenz in Madrid verabschiedet werden soll. Dort sitzen seit gestern die Vertreter von 40 Ländern und 10 internationalen Organisationen zusammen, um zum dritten Mal seit der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton 1995 die Fortschritte im Friedensprozeß in der Konfliktregion zu überprüfen und die konkreten Schritte für die nächsten zwei Jahre festzuschreiben. Oberstes Ziel: Endlich die Rückführung der bosnischen Flüchtlinge in ihre Heimatorte zu ermöglichen.

„Genau hier sind wir bisher gescheitert“, gibt der internationale Bosnienbeauftragte Carlos Westendorp zu. 1998, das von der EU groß als „Jahr der Rückkehr“ angekündigt wurde, ließen sich gerade einmal 10.000 Flüchtlinge in ihrer Heimat nieder. Bosnien-Herzegowina ist damit auch drei Jahre nach Ende des Krieges noch weit von dem entfernt, was Bundesaußenminister Joschka Fischer „eine wirklich verankerte multiethnische Demokratie“ nennt. 100.000 Menschen suchen noch immer in anderen Orten der Region Zuflucht. 1,2 Millionen leben seit dem Krieg im Ausland. Der Vormarsch der Ultranationalisten bei den letzten Wahlen läßt die Hoffnungen auf eine baldige Aussöhnung weiter schwinden.

Sowohl die Ultranationalisten in den kroatisch kontrollierten Gebieten als auch in der serbischen Teilrepublik Srpska wollen von einer Rückkehr der Vertriebenen nichts wissen. Denn dies würde das Ergebnis der ethnischen Säuberung in Frage stellen.

„Der gesamte Prozeß der politischen Einigung Bosniens kann nicht gelingen, wenn sich die politisch Verantwortlichen weiterhin folgenlos gegen die Rückkehr wehren können“, warnte der Beauftragte der Bundesregierung für Flüchtlingsrückkehr, Wiedereingliederung und Wiederaufbau in Bosnien und Herzegowina, Hans Koschnik, gestern in seiner Rede. In Deutschland leben noch immer 100.000 der anfänglich 350.000 Flüchtlinge. Die meisten stammen aus der heutigen Republik Srpska und gehören der dortigen ethnischen Minderheit an.

Der ultranationalistische Präsident Nikola Poplasen der Republik Srpska regiert mit der Demokratischen Partei Serbiens (SDS) des international gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadžić. Koschnik will sich nicht geschlagen geben. „Lassen Sie uns dem Dogmatismus verkrampfter Nationalisten keinen eigenen Dogmatismus entgegenstellen“, forderte er in seiner gestrigen Rede.

Ihm schwebt eine gezielte Intervention auf kommunaler Ebene vor. „Fast überall gibt es kooperative Kräfte. Wir müssen sie stärken“, sagt der Mann, der einst für die internationale Verwaltung Mostars zuständig war.

Beim Bosnienbeauftragten Westendorp rennt Koschnik damit offen Türen ein. Spaniens Ex-Außenminister möchte für „die Schaffung lokaler Strukturen, wo wir die Menschen hinschicken können“, auf der Konferenz für eine Aufstockung der zur Verfügung stehenden Finanzmittel von 22 Millionen Euro auf 36 Millionen für das Jahr 1999 werben. Doch die Zahlungsfreude sowohl in der EU als auch bei den USA, die alleine ein Drittel der sich seit 1996 auf 4,4 Milliarden Euro belaufenden Gesamthilfe aufgebracht haben, läßt immer mehr nach.

Keine Geschenke, sondern gezielte Kredite, um die Wirtschaft anzukurbeln, lautet die neue Formel, die in Madrid debattiert wird. Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Verheugen, mahnt an, daß „die Zeit auf der Intensivstation zu Ende gehen müsse“. Auch wenn die 35.000 Natosoldaten, deren Mandat bis nächsten Sommer verlängert wurde, weiter wichtig seien, um die Stabilität zu garantieren, zeigt sich Verheugen „vorsichtig optimistisch: Die Flüchtlinge kehren langsam zurück, es gibt Anzeichen für wirtschaftliche Erholung“, widerspricht er Koschnik.

Die Vertreter der serbischen Ultranationalisten verfolgen ganau jede kleinste Meinungsverschiedenheit in der internationalen Gemeinschaft. Sie sähen es gerne, wenn es Westendorp nicht gelänge, seine Stellung auszubauen. Er habe nur eines im Sinn, „aus unserer Heimat ein Protektorat zumachen“, so der Präsident der Republik Srpska, Poplasen. Vielerorts haben die Nationalisten bisher erfolgreich den Aufbau einer multiethnischen Polizei und Gerichtsbarkeit verhindert. „Deshalb kehren die Flüchtlinge nicht zurück“, sagt Westendorp. „Wir müssen weiter Druck ausüben. Sonst scheitern wir, denn in ein paar Jahren kehrt sonst sowieso niemand mehr zurück.“

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