: USA politisch kopflos – Bill Clinton regiert weiter
■ Das US-Repräsentantenhaus klagt den Präsidenten wegen Meineides und Behinderung der Justiz an. Republikaner-Sprecher Livingston tritt zurück – Clinton will „bis zur letzten Stunde“ bleiben. Jetzt entscheidet der Senat über die Amtsenthebung
Washington (taz) – Die USA haben an diesem Wochenende ihre politische Führung verloren. Gegen den Präsidenten strengt das Abgeordnetenhaus ein Amtsenthebungsverfahren an, der designierte Sprecher des Repräsentantenhauses trat zurück, oberster Bundesrichter und Senat sind ab Januar durch Verhandlung der Klage gegen den Präsidenten blockiert. Im Repräsentantenhaus haben sich Republikaner und Demokraten so gründlich zerstritten, daß schwer vorstellbar ist, wie die republikanische Mehrheit von sechs Stimmen in der nächsten Legislaturperiode Politik machen kann. Bill Clinton aber will „bis zur letzten Stunde des letzten Tages“ seiner Amtszeit „die Arbeit des amerikanischen Volkes tun“.
Am Samstag nachmittag hatte die republikanische Mehrheit des US-Repräsentantenhauses entschieden, Clinton in zwei von vier Punkten – wegen Meineides und Behinderung der Justiz – anzuklagen und die Amtsenthebung des Präsidenten einzuleiten, über die jetzt der Senat entscheiden muß. Zwei Stunden später trat Bill Clinton an der Seite Hillarys, umrahmt von fast der gesamten demokratischen Fraktion, auf dem Rasen des Weißen Hauses Forderungen nach seinem Rücktritt entgegen. Noch mal zwei Stunden später verkündete er das Ende des Bombenkriegs gegen den Irak.
Für das Impeachment stimmten mit Ausnahme von fünf Abgeordneten alle Republikaner, dagegen votierten – wieder mit Ausnahme von fünf Abgeordneten – alle Demokraten. Eine alternative Resolution, die Clinton nur getadelt hätte, statt seine Amtsenthebung zu fordern, wurde vom republikanischen Präsidium des Abgeordnetenhauses nicht zugelassen.
Der designierte Sprecher des Repräsentantenhauses, Bob Livingston (Republikaner), forderte Clinton zum Rücktritt auf – und erklärte dann zunächst einmal seine eigene Demission. Zuvor war bekanntgeworden war, daß er im Laufe seiner Ehe mehrere Affären gehabt hatte. Livingston war ein Kompromißkandidat, dem die Einigung der zerstrittenen republikanischen Fraktion sowie die Zusammenarbeit mit den Demokraten zugetraut wurde. Neuer Sprecher soll jetzt der Abgeordnete Dennis Hastert werden.
Der Senat, vor dem ab Januar die Klage gegen Clinton unter Vorsitz des obersten Richters verhandelt wird, kann das Verfahren durchführen, es niederschlagen oder mit Clinton einen Deal machen, an dessen Ende der Präsident abgemahnt statt gefeuert werden könnte. Wie das Verfahren ausgeht, ist völlig offen. Die Amtsenthebung Clintons bräuchte im Senat eine Zweidrittelmehrheit. Dazu müßten zwölf demokratische Senatoren mit den Republikanern stimmen – und das scheint derzeit ausgeschlossen. Peter Tautfest Tagesthema Seite 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen