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Dem Filz in den Chefetagen den Kampf angesagt

■ Unbekannte Größen: Wer steckt eigentlich hinter den Lobbyverbänden? Teil 1: Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre will Anlegern Lust auf Aktien, aber nichts vormachen

Berlin (taz) – Der Verband hat seinen Sitz da, wo auch die großen deutschen Banken ihre Zentralen errichtet haben: in Frankfurt am Main. 1959 wurde die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) auf Initiative von privaten Anlegern mit dem Ziel gegründet, sich für die Interessen der Wertpapierbesitzer zu engagieren, die nicht von großen Firmen oder Banken kommen.

Dabei bedeutet der Begriff Kleinaktionär oft keineswegs, daß dieser wenig Geld investiert hat. Und entsprechend sind auch die Forderungen des Verbandes: „Gleichbehandlung des Faktors Kapital mit anderen Faktoren wie zum Beispiel Arbeit und Management“, heißt es in einer Broschüre. Die SdK will nicht nur zum „Substanzerhalt des Kapitals“ beitragen, sondern auch eine risikogerechte Verzinsung durchsetzen.

Vor allem der Filz in den Chefetagen der Großunternehmen und Banken ist Angriffsziel der SdK. Aber auch Großaktionäre versteht sie als ihre Gegenspieler. „Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist die völlige Unabhängigkeit der SdK“, betont die Organisation immer wieder.

Auf über 600 Hauptversammlungen im Jahr treten die 40 ehrenamtlichen Sprecher inzwischen auf. Vom Steuerberater bis zum Oberst und Bankkaufmann ist hier alles vertreten. „Je größer die Stimmkraft, um so stärker die Durchschlagkraft“, werben die Kleinaktionärsvertreter um Unterstützung. Kostenlos und anonym übernehmen sie die Stimmrechte und versprechen dafür Entscheidungen auf Grundlage umfassender Kenntnis der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge, der Branchen und des einzelnen Unternehmens.

Während sich der Verband in den Anfangsjahren weitgehend mit dem Auftreten und Abstimmen auf Hauptversammlungen begnügte, versucht er inzwischen auch, über Lobbyarbeit Einfluß auf die einschlägigen Gesetze zu nehmen. Im monatlichen Aktionärsreport fordert die SdK von der neuen Bundesregierung, den noch zu Oppositionszeiten von der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Einschränkung der „dominierenden Position der Großbanken und Unternehmensverwaltungen“ umzusetzen. Dabei geht es vor allem um eine Beschränkung der Aufsichtsratsmandate auf fünf sowie eine Entflechtung der Stimmrechte aus wechselseitigen Beteiligungen großer Firmen. Außerdem will die SdK erreichen, daß Vorstände bei schuldhaft eingetretenen Verlusten gegenüber den Anteilseignern schadenersatzpflichtig sind.

Und auch vor Gericht versucht die SdK, den Interessen der Minderheitenaktionäre insbesondere nach zeitgleicher Information aller Börsenspieler zum Durchbruch zu verhelfen: Etwa 50 Prozesse führt der Verband zur Zeit.

Mit bunten Broschüren will die Gemeinschaft einerseits Lust auf Aktien machen. Denn während in den USA immerhin 21 Prozent der Bevölkerung Wertpapiere oder Fondsanteile besitzt, sind es hierzulande bisher lediglich 6,5 Prozent. Doch andererseits warnt die SdK Börsenneulinge auch vor Illusionen: „Heiße Tips und garantierte Gewinne gibt es nicht. Mal ehrlich: Würden Sie es jedem verraten, wenn Sie gerade in Ihrem Schrebergarten eine Goldmine entdeckt hätten?“

Annette Jensen

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