: Private Sender schalten Funkausstellung ab
■ Private Sender ziehen sich von der Internationalen Funkausstellung zurück und verunsichern den Medienstandort Berlin. Messe sei im Gegensatz zu Fachmessen zu teuer und bringe keine Geschäfte. Senat ist über Entscheidung „enttäuscht“
Die „Medienhauptstadt“ Berlin sitzt bei den privaten Film- und Fernsehsendern nicht mehr in der ersten Reihe. Sowohl Sat.1 als auch die Kölner Anstalten RTL, RTL2 und Super RTL sowie der Münchener Sender Pro7 haben entschieden, im kommenden Jahr der Internationalen Funkausstellung (IFA) einen Korb zu geben.
Für die Branche und die Medienpolitik der Stadt bildet der Rückzieher einen herben Rückschlag. Nach Ansicht von Joachim Hinze, Referent im Hause des Wirtschaftssenators, hinterläßt der Ausstieg der Privaten „eine große Lücke“ am Medienstandort Berlin. Von der IFA gehe immer eine besondere „Signalwirkung“ für die Stadt aus. Hinze hofft, daß die Absage für die IFA 1999 noch „keinen endgültigen Abschied von der Messe“ bedeutet. Er rechne damit, daß die Messe Berlin GmbH die Sender „wieder ins Boot ziehen kann.“
Die Absage der Privaten stößt auch in der Senatskanzlei auf Kritik. „Wir bedauern sehr, daß eine solche Entscheidung gefallen ist“, sagte Senatssprecher Eduard Heußen. Eine Wende in der Film- und Medienwirtschaft wollte Heußen aus dem Rückzieher aber nicht ableiten. Der Standort Berlin sei für die Privaten nach wie vor attraktiv. Gerade Sat.1 eröffne im August 1999 sein Medienzentrum in Mitte. Andererseits, so Heußen, sei die Messegesellschaft nun gefordert, „sich neue Konzepte zu überlegen“, um auf die veränderten Bedürfnisse der Teilnehmer reagieren zu können.
1997 besuchten die IFA rund 500.000 Besucher. Die alle zwei Jahre stattfindende Ausstellung auf dem Gelände am Funkturm präsentiert neben Stars und Sternchen in der Hauptsache neue Funk- und Fernsehtechniken und bietet eine Blick hinter die Kulissen der Show-, Nachrichten- und Programmacher. Bei Standmieten von rund 200 Mark pro Quadratmeter und der Installation ganzer Sendestudios müssen die öffentlichen und privaten Sender zwischen 5 und 10 Millionen Mark während der IFA berappen. Rund 60 Sender waren 1997 dort präsent.
Die hohen Investitionen und das schlechte Kosten-Nutzen-Verhältnis sind der Hauptgrund für den Absprung der Privaten. Die Entscheidung, die IFA links liegen zu lassen, sagte Simone Starzynski, Sprecherin von Sat.1, sei deshalb gefallen, weil auf der „Besuchermesse“ wenig Geschäfte abgeschlossen werden könnten. Die Düsseldorfer Telemesse mit ihren Fachteilnehmern biete da bessere Chancen. Der Sender könne sich dort besser „vermarkten“. Außerdem reiche die IFA kaum über Berlin hinaus.
Auch RTL-Sprecher Richard Mahkorn machte unternehmerische Gründe für den IFA-Stopp geltend. Auf Messen sei das erste Ziel des Senders, lukrative Verträge abzuschließen. Auf einer Fachmesse könne das Programm der Werbewirtschaft besser als in Berlin vorgestellt werden. Außerdem erreiche der Sender bei seinen speziellen Road-Shows und flächendeckenden Events mehr Zuschauer als auf der IFA.
Auf Unverständnis stieß die Absage bei SFB-Fernsehdirektorin Barbara Groth. Die IFA sei eine große internationale Besucher- und Fachmesse. Die Privaten schnitten sich ins eigene Fleisch, die Kontakte zum Publikum und den „öffentlichen“ Konkurrenten abzubrechen. Rolf Lautenschläger
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