: Videokameras gegen die Verwüstung jüdischer Gräber
■ Nach dem Anschlag auf das Grab des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden Heinz Galinski ist in Berlin eine Debatte darüber entbrannt, wie man gegen antisemitische Täter vorgehen kann
Der Vorschlag der Berliner Polizei, jüdische Friedhöfe mit Videokameras zu überwachen, um antisemitische Anschläge zu verhindern, ist bei SPD und Kriminalpolizei auf Kritik gestoßen. „Ich habe meine Zweifel, ob das bei Friedhöfen der richtige Weg ist“, sagte SPD-Fraktionschef Klaus Böger. „Ich halte das eher für ein gespenstisches Gefühl.“
Auch die Chefin des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Berlin, Heide Rudert, meinte, die Videoüberwachung werde Täter nicht davon abhalten, jüdische Gräber zu schänden. Abgesehen davon, daß der Aufwand unverhältnismäßig sei, müsse man sich die Frage stellen, ob Juden dadurch nicht in eine Außenseiterrolle gedrängt würden. Eine gezielte Videoüberwachung des am 19. Dezember verwüsteten Grabes des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, sei hingegen sinnvoll, sagte Rudert.
Nach dem Anschlag auf Galinskis Grab auf dem jüdischen Friedhof in Charlottenburg am Abend des 19. Dezembers hatte sich die Polizei für Kontrollen mit Videokameras auf den fünf jüdischen Friedhöfen Berlins ausgesprochen. Schon jetzt werden die Friedhöfe verstärkt von Polizeistreifen kontrolliert. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Andreas Nachama, wollte eine Videoüberwachung nicht ausschließen. Schon nach einem ersten Anschlag Ende September habe die Polizei Galinskis Grab vorübergehend mit einer Kamera überwacht. Weil allerdings befürchtet wird, daß eine derartige Überwachung eine heikle Signalwirkung in der internationalen Öffentlichkeit haben könnte, wollen Nachama und der Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) am 4. Januar Einzelheiten besprechen.
Bei dem Sprengstoffanschlag am 19. Dezember war die Grabplatte in vier Teile zerborsten. Sie soll nach Aussagen von Nachama so schnell wie möglich in der alten Form wiederhergestellt werden. Ein Steinmetz sei bereits beauftragt. Die Kosten schätzte Nachama auf etwa 35.000 Mark. Für die Reparatur will der Senat aufkommen.
Über die Täter ist nach wie vor nichts bekannt. Ein Bekennerschreiben, das vier Tage nach der Tat aufgetaucht war, ist nach Einschätzung der Berliner Justiz und der Polizei nicht echt. Das Schreiben einer bis dahin unbekannten Gruppe mit dem Namen „Freunde der Schulstraße“ stamme vermutlich von einem Trittbrettfahrer, sagte Justizsprecher Matthias Rebentisch.
Im Bezirk Wedding war Ende November die Schulstraße in Heinz-Galinski-Straße umbenannt worden. Die Ermittlungen ergaben bislang lediglich, daß bei dem Anschlag eine selbstgebaute Bombe benutzt wurde. Eine Durchsuchung bei einem Rechtsextremisten blieb ohne Ergebnis. Die Polizei hat für Hinweise eine Belohnung von 20.000 Mark ausgesetzt. dpa/juw
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