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Männliche Wettertiefs sind unwissenschaftlich

■ Berliner Meteorologen werfen „Wetterfrosch“ Kachelmann Verwirrung vor

Im Streit darüber, ob Tiefdruckgebiete an der Wetterfront weibliche und männliche Namen tragen sollten, haben Berliner Meteorologen ARD-„Wetterfrosch“ Jörg Kachelmann scharf angegriffen. Kachelmann agiere unwissenschaftlich und täusche die Öffentlichkeit, sagte Professor Werner Wehry vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin. „Die Tiefdruckgebiete jetzt auch männlich zu benennen, ist pure Augenwischerei und nur ein PR- Gag zur Steigerung der Quote, nichts weiter.“

Morgen wollen die Programmdirektoren der ARD in München entscheiden, ob nun Gleichberechtigung bei der Benennung der Hochs und Tiefs einzieht oder die bisherige Regelung weitergeführt wird. Der Deutsche Wetterdienst in Offenbach nutzt die Berliner Namensliste und versorgt damit Sendungen wie die „Tagesschau“ der ARD. RTL, n-tv und „Das Wetter im Ersten“ übernehmen dagegen die neue Einteilung.

Kachelmann wehrte sich in einer NDR-Talkshow am Freitag abend entschieden gegen die Vorwürfe. Es sei international üblich, Tiefdruckgebiete mit männlichen und weiblichen Vornamen zu benennen, sagte er. Nur die Berliner Meteorologen machten hier eine Ausnahme.

Die Liste des Instituts, die seit den 50er Jahren Hochs mit Männer- und Tiefs mit Frauennamen tauft, habe sich bewährt und sei weitgehend akzeptiert, sagte dagegen Wehry. „Alles andere führt zu einem heillosen Durcheinander.“

Kachelmann hatte mit seinem privaten Wetterdienst zu Jahresbeginn erstmals in der deutschen Wettergeschichte ein Tief „Axel“ genannt. Kachelmann habe zudem kein System bei seiner neuen Namensgebung, monierte Wehry. Es sei mehr verwirrend als hilfreich, wenn Tiefs dann auch noch abwechselnd mal nur männlich „Pawel“ und dann doch weiblich „Undine“ sein sollen. Der Wissenschaftler warf dem Schweizer Meteorologen Ignoranz vor. Kachelmann habe dazu beigetragen, daß sich viele Menschen belästigt fühlten, wenn ihnen auch nur ein Tropfen Regen auf die Nase fällt, sagte der Wissenschaftler. Vermittelt werde auch, daß Tiefdruckgebiete mit Regen etwas Schlechtes seien. „Das ist grober Unfug.“ Hochs und Tiefs gehörten zusammen. „Ohne Tiefdruckgebiete hätten wir hier Wüste“, sagte Wehry.

Den Tiefs Frauennamen zu geben sei keinesfalls diskriminierend. Frauenrechtlerinnen kämpfen seit Jahren gegen die Namensgebung, die das weibliche Geschlecht nach ihrer Ansicht benachteiligt. „Das kann ich nicht sehen. Ganz im Gegenteil“, meinte der Berliner Wissenschaftler. „Tiefs bringen Feuchtigkeit und damit Leben. Ohne Regen gäbe es kein Grün.“

Kachelmann habe offenbar vergessen, daß die Namenslisten auf seinen Wunsch aktualisiert und Vorschläge von ihm aufgenommen wurden, sagte Wehry, der am Institut die Arbeitsgruppe angewandte Synoptik (Wetterbeobachtung) leitet. Einer Entscheidung der ARD-Programmdirektoren sehe er gelassen entgegen. „Das Wetter wird davon ja nicht beeinflußt.“ dpa

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