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„Die Bündnisgrünen sind nicht nachtragend“

■ Die grüne Fraktionschefin Renate Künast sieht keine Vorbehalte gegen Walter Momper. Da er Stimmen aus der grünen Wählerklientel holt, müssen die Grünen aber ihr Wahlkampfkonzept ändern

taz: Haben die Grünen Vorbehalte gegen Walter Momper, der in der rot-grünen Koalition 1989/90 für seinen rauhen Regierungsstil bekannt war?

Renate Künast: Wir sind nicht nachtragend. Walter Momper hatte nach dem Fall der Mauer einige Kommunikationsdefizite mit uns, aber auch mit seiner eigenen Fraktion. Ich gehe davon aus, daß er haargenau weiß, was er sich damit am Ende verdorben hat. Aus Schaden wird man klug. Vielleicht ist die Tatsache, daß wir miteinander Erfahrungen haben im Regieren, am Ende unsere Stärke.

Walter Momper fischt im grünen Wählerreservoir. Er kann Wechselwähler von der PDS gewinnen, aber kaum von der CDU. Könnte es nicht knapp werden für eine rot-grüne Mehrheit?

Genau da liegt das Problem für die Grünen. Die erreichbare Wählerklientel überschneidet sich bei Walter Momper und den Grünen stärker, als das bei einer Spitzenkandidatur von Klaus Böger der Fall gewesen wäre. Wir werden für den Wahlkampf Konsequenzen daraus ziehen müssen. Die SPD muß überlegen, wie sie die Wechselwähler zwischen SPD und CDU gewinnen kann. Nur so können wir die Große Koalition ablösen.

Inwiefern muß das grüne Wahlkampfkonzept verändert werden?

Wir haben nicht mehr den Luxus, daß wir in einem großen Bereich alleine nach Stimmen „fischen“ können. Momper holt auch Stimmen in der Kulturszene und bei Intellektuellen. Wir wollen ja keinen Wahlkampf gegeneinander machen. Wir werden einen grünen Wahlkampf machen, damit wir, wenn es Rot-Grün gibt, möglichst stark sind. Wir müssen, was die Schnittmenge der WählerInnen angeht, gegenüber der SPD von Anfang an deutlich machen, daß wir ihr nicht das Feld überlassen. Wir müssen uns um die Nichtwähler und um die Wechselwähler zwischen PDS und Grünen bemühen. Wir müssen da überall mindestens die Zweitstimme kriegen.

Momper strebt eine rot-grüne Koalition an. Wird es im Vorfeld der Wahl Gespräche geben?

Eine Koalition fängt ja nicht an dem Tag an, an dem man die Vereinbarung unterzeichnet. Wir gehen davon aus, daß es zu Gesprächen kommen wird, sobald sich die SPD etwas sortiert hat. Wir müssen austauschen, welche inhaltlichen Schwerpunkte die beiden Parteien im Wahlkampf setzen. Dann hat der andere die Möglichkeit, während des Wahlkampfs darauf zu reagieren.

Wo gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Grünen und SPD?

In der Sozialpolitik und in der Ökologie werden wir einiges an Übereinstimmung finden. In der Finanzpolitik und der Sicherheitspolitik muß die Diskussion ganz von vorn beginnen. Da müssen Kompromisse erst entwickelt werden. Gerade in diesen Bereichen gibt es Entwicklungen, die mit uns nicht zu machen sind.

SPD und CDU haben gerade erst die Möglichkeit von Polizeikontrollen ausgeweitet. Wird das mit den Grünen rückgängig gemacht?

Wir sind ja klüger geworden. Wir werden den Schwerpunkt auf die Konzepte für die Zukunft legen. Nicht jedes Gesetz der Großen Koalition muß von Rot-Grün angewandt werden. Wir sind mittlerweile so klug zu wissen, daß es besser ist, ein neues Konzept draufzusetzen, als in alte Tischkanten zu beißen. Das Quartiersmanagement mit Bürgerbeteiligung ist zum Beispiel ein ganz anderer Zugang zum Thema Sicherheit in den Stadtteilen.

Die erste rot-grüne Koalition war von nächtelangen Krisensitzungen geprägt. Was werden die Grünen künftig anders machen?

Jetzt sind wir Profis in jeder Hinsicht. Die SPD, aber auch wir haben gelernt, daß man nicht bei jedem Konflikt die Koalition in Frage stellt. Wir sind alle gelassener geworden. Koalitionsausschüsse macht man besser regelmäßig, damit Krisen erst gar nicht entstehen. Interview: Dorothee Winden

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