: Amnestie für DDR-Spione nicht in Sicht
■ Befürworter für die Begnadigung einzelner Ausspäher des Westens gibt es. Eine Mehrheit aber zeichnet sich im Bundestag noch nicht ab
Bonn (taz) – Schlechte Karten für einstige DDR-Spione. Ein Amnestievorschlag für die verurteilten westdeutschen Mitarbeiter der DDR-Auslandsgeheimdienstes HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) stößt in Bonn auf wenig Gegenliebe. Lediglich eine Straffreiheit für frühere Agenten wie den Top-Spion in der Brüsseler Nato- Zentrale, Rainer Rupp, oder den wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für die DDR zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilten SPD-Politiker Karl Wienand fände in den Bonner Koalitionsparteien einige Befürworter, ein Amnestiegesetz nicht.
Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wilfried Penner, hält angesichts der „schweren Vertrauensbrüche“ die von den Gerichten verhängten Spionage-Strafen für „legitimiert“. Der Ausschußvorsitzende verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Darin grenzen die Karlsruher Richter die Spionageaktivitäten von DDR- Bürgern für den Staatssicherheitsdienst explizit von denen der westdeutschen Mitarbeiter für die Stasi ab. Die Westspione hätten immer gewußt, daß sie sich wegen Geheimdiensttätigkeit in ihrem Land strafbar machen.
Ähnlich argumentiert das Bonner Justizministerium, das die gesetzliche Grundlage einer Amnestie erarbeiten müßte. Die Spionagetätigkeit der westdeutschen Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi sei mit der Tätigkeit früherer DDR-Bürger „nicht vergleichbar“, sagt der Sprecher der Ministerin Herta Däubler-Gmelin. Die Wessis hätten schließlich gewußt, daß sie „ihren eigenen Staat verraten“.
Unter den Bündnisgrünen setzt sich der rechtspolitische Sprecher Volker Beck für eine Amnestierung der Westspione ein. Es sei nicht zu rechtfertigen, die früheren Spione der DDR im Westen weiter zu verfolgen, während im Osten Straffreiheit für Westspione gewährt werde. Cem Özdemir, der innenpolitische Sprecher der grünen Fraktion, glaubt, daß die Mehrheit seiner Fraktion für ein Amnestiegesetz eintritt. Aber einen Fraktionsbeschluß zum Thema gibt es bisher nicht.
Angestoßen wurde die Debatte von der PDS im Bundestag. Sie sorgte nicht nur für Furore, indem sie den als „Topas“ bekanntgewordenen Nato-Spion Rupp vertraglich an ihre Bundestagsfraktion anband. Der stellvertretende PDS- Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke schob einen Aufruf zahlreicher Prominenter an. Darin wird der Petitionsausschuß des Bundestages aufgefordert, „sich der Frage anzunehmen und zu prüfen, ob im Zuge einer Amnestie eine Lösung im Sinne der Gleichbehandlung und der Humanität gefunden werden kann“. Der Aufruf wird auch von mehreren SPD-Mitgliedern unterstützt, darunter der frühere Bundesminister Erhard Eppler, Ex- Landesminister Peter von Oertzen und die Juso-Vorsitzende Andrea Nahles. Unterzeichnet haben auch die Schriftsteller Eugen Drewermann und Stefan Heym. Für Rainer Rupp hatten sich zuvor schon der Schriftsteller Martin Walser und die Publizistin Marion Gräfin Dönhoff in einem Gnadengesuch an den Bundespräsidenten Roman Herzog eingesetzt. Herzog lehnte ab.
Auf völlige Ablehnung stoßen die Amnestiepläne bei Union und FDP. Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktionen, Norbert Geis, will „grundsätzlich keine Amnestie“. Wenn ein Schlußstrich unter die deutsch-deutsche Spionage gezogen werden sollte, dann hätte dies unmittelbar nach dem Einigungsprozeß geschehen müssen. 1990 scheiterte allerdings ein von der Regierung vorgelegter Entwurf für ein Amnestiegesetz an der Befürchtung, die Regelung könnte als generelle Amnestie für DDR-Unrecht mißverstanden werden.
Für die FDP ist deren parlamentarischer Geschäftsführer Jörg van Essen strikt gegen jede Amnestierung: Während in der DDR so mancher zur Mitarbeit bei der Stasi gezwungen worden sei, hätten sich die Westmitarbeiter dagegen „freiwillig dafür entschieden, gegen den Rechtsstaat zu kämpfen“. Eine Amnestie käme aus diesem Grunde gerade für diesen Personenkreis nicht in Frage. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen