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Aus dem Tarifvertrag abgereist

Outsourcing, Tarifflucht und Lohndumping bei der Reisebank: Herbe Gewerkschaftskritik an der Tochter der Genossen-Bank. Der Prozeß ist typisch für die Branche  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) – Die Gewerkschaft HBV wirft der Reisebank AG Tarifflucht und Lohndumping vor. Für den Frankfurter HBV- Sekretär Bayer ist der Kern des Problems ein „klassisches Outsourcing“: Die Reisebank wurde 1996 als Tochter der Deutschen Verkehrsbank gegründet, die wiederum eine Tochter der genossenschaftlichen DG Bank ist. Für das neue Unternehmen gilt nicht automatisch der Bankentarifvertrag.

„Auf Reisen unentbehrlich“ findet sich die eher unbekannte Reisebank (nicht einmal in der Pressestelle der Mutter DG Bank kannte man die Reisetochter). Doch immerhin unterhält sie in Deutschland und Basel 55 Geschäftsstellen in Bahnhöfen, auf Flughäfen und Messen. Über 140 ausländische Währungen werden hinter den Schaltern bereitgehalten und auch nahezu weltweit versendet. Zudem baut die Reisebank auf eine Servicepalette von der Hotelreservierung bis zur Boutique: „Kunden haben die Möglichkeit, sinnvolle Produkte rund um das Thema Reisen zu ordern“, freut sich die Marketingabteilung. Im Firmenkundengeschäft kooperiert die Reisebank mit dem ADAC, der Bahn oder Condor.

In die Kritik gerät die Reisebank durch „ihre knallharte Sozialabbaustrategie“, so ein Hamburger Gewerkschafter. Für den Frankfurter HBV-Sekretär Herbert Bayer ist die Reisebank ein typisches Beispiel für Outsourcing, wie es in der gesamten Finanzbranche in Mode gekommen sei. So plant zum Beispiel auch die Deutsche Bank die Ausgliederung ihres gesamten Privatkundengeschäfts. Das ermögliche die „Tarifflucht“, so Bayer, und eröffne die Chance, Personalkosten radikal zu senken.

Begonnen habe der Sozialabbau mit der Gründung der Reisebank AG als neuem Tochterunternehmen der Verkehrsbank, im Sommer 1996 – als Flucht aus dem Bankentarifvertrag bewertet das die HBV. In der Folgezeit wurden neue Beschäftigte für Dumpinglöhne eingestellt, und die Arbeitsbedingungen hätten sich erschwert. Verhandlungsführer Bayer: „Ein Kassierer verdient nun 3.000 Mark statt 5.000 Mark.“ Für Schichtdienst und Sonntagsarbeit gebe es keine Zuschläge mehr, der Urlaub wurde von sechs auf vier Wochen verkürzt, zugleich sei die Arbeitszeit wieder auf 40 Stunden verlängert worden.

Lediglich die Altbeschäftigten stehen noch unter dem Schutz des Bankentarifvertrags. Obendrein wurde mit einer weiteren Firmengründung, der Cash Express GmbH, die Möglichkeit geschaffen, die Reisebank eines Tages als Auslaufmodell im neuen, tariffreien Cash Express aufgehen zu lassen. Damit wären dann auch die tariflichen Altlasten abgestreift. Der kritische Betriebsratsvorsitzende Klaus Peter Nowack wurde mit fristloser Kündigung bedroht. Ein Versuch, den das Arbeitsgericht Hamburg kürzlich stoppte.

Das Outsourcing scheint sich zu lohnen: Bei einer Bilanzsumme von 88 Millionen Mark konnte die Reisebank im Geschäftsjahr 1997 bereits 10,3 Millionen Mark an ihre Konzernmutter überweisen. Die Reisebank AG schweigt zu den Vorwürfen und verweist auf ihre Muttergesellschaft, die Deutsche Verkehrsbank. Deren Sprecher sagte dazu nur: „Das ist eine Tarifsache, die nichts für die Presse ist.“

Schelte kommt jetzt auch von Verbraucherseite: Die Gebühren für den Devisenumtausch seien besonders hoch. 4,5 Prozent des Ankaufwertes werden in Rechnung gestellt. Dazu ein sogenanntes Serviceentgelt von bis zu fünf Mark. „Was kostet die Welt?“ fragt die Reisebank in ihrem Werbematerial. Bei dieser Bank wohl zuviel.

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