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Schrödert R., oder ribbeckt Sch.?

Zunächst schienen sich bei Bundeskanzler und Teamchef nur die Anzüge zu ähneln. Jetzt erkennt man traurige Analogien: Beide haben nicht viel anders und nicht viel besser gemacht  ■ Von Norbert Seitz

Eigentlich hat sich der Autor schon 1986 geschworen, nie mehr über dieses Thema zu schreiben. Doch die Realität holte ihn stets wieder ein. In immer kürzeren Abständen. Der Fluch der bösen Analogie – Fußball und Politik – von wegen Kneifzange! Jetzt soll es schon alle zwei Jahre um Blatters Wurst gehen. Gott sei Dank steuern die Politiker gegen und wollen nur noch alle fünf Jahre wählen lassen. Doch die jüngste Erfahrung zwischen Jacksonville und Wiesbaden zeigt uns: Auch eine Entzerrung von wichtigen Polit- und Kickterminen wird wenig helfen, den Bannkreis der beiden Sphären zu durchkreuzen.

„Es kann doch nicht sein, daß ein Länderspiel gegen die USA mehr interessiert als Wahlen in Hessen“, beklagte sich der sechsfach geschlagene Nationalkeeper Oliver Kahn nach der Malta-Reprise des DFB. Irrtum, Olli, es kann! Wer die Wahl in Hessen zum Kotzen fand, hat bei Claudio Reyna Trost gesucht. Und wer die Selbstvergessenheit deutscher Adlerträger im fernen Amerika verfluchte, bekam zum Frusthunger seinen Fast-food-Koch.

Der „Doppelpaß“ bringt es halt nicht. Den wußte schon Ästhet Bohrer in seinen essayistischen Fußball-Klassikern zu geißeln. Er sei bloß einstudierte Routine, entbehre des genialen Momentes, vor allem jener zwischen Beckenbauer und Müller, sei überraschungslos, ja stupend primitiv gewesen. Historiker Böttiger ist gar der Meinung, in Deutschland sei kein gescheiter Doppelpaß mehr gespielt worden, seit Netzer sich von Hannelore Girrulat getrennt habe. Das Spiel über die Flügel dagegen sei viel effektvoller und ursprünglicher.

Zurück zu Dregger und seinen rechten Enkeln? Die Neue Mitte zumindest produzierte bislang nur Carsten Ramelow. Katastrophale 100-Tage-Bilanzen gleichen einander. In den USA und Hessen wurden sie „gekrönt“. Heribert Prantl und Paul Breitner haben dazu das Nötige gesagt. Halten wir inne:

Als im Wahlherbst letzten Jahres die Nachfolger von Berti & Kohl bestimmt wurden, hohnlachten die beckmesserischen Gegner des nebelstochernden Metiers, Herren wie Babbel oder Seehofer miteinander zu vergleichen. Schluß mit der lange so stilbildenden Trainer-Kanzler-Analogie, wurde aufgeatmet, Seppl und Conny, Mütze und Schnauze, Helmut und Hubert – endlich passé. Daß Hennes Weisweiler dem röhrenden Kaufhofhirsch Lee Marvin („I was bo-horn under a wandrin' star“) so täuschend ähnlich sah, bewahrte ihn einst vor rufschädigenden Vergleichen mit CDU- Größen.

In der Tat, bei Gerhard Schröder und Erich Ribbeck schienen sich nur die Anzüge zu ähneln. Dachte man. Schröder vor den Gittern des Kanzleramtes wirkte wie Hrubesch bei Eckbällen von Kaltz. Und Ribbeck nach dem Kroatien- Debakel wie Hans Koschnick auf der Brücke von Mostar.

Schröder und Ribbeck, das schien wie Feuer und Wasser. Hier fühlte man sich an Nürnbergs Reporter Günther Koch erinnert, der nach fortwährender Torlosigkeit des fränkisch-afrikanischen Sturmduos seiner Clubberer zu stöhnen pflegte: „Wirsching mit Sane – das schmeckt halt net!“

Doch man sollte sich täuschen: Trainer und Kanzler war gleich zu Beginn ihres Wirkens eine Gemeinsamkeit beschieden: Mögliche Spielmacher der Neuen Mitte – Stollmann und Effenberg – verzichteten noch vor dem ersten Match des Neubeginns, weil sie den Funktionärsapparat traditioneller Mächte (DFB, SPD) fürchteten. Hombachs „dritter Weg“ und Ribbecks Konsolidierung schenkten sich bislang nichts. Es wurde nicht viel anders und besser gemacht. Die deutsche Abwehr von Jacksonville im blamablen Match gegen die USA war offen wie Schilys Scheunentor. Möller streikte das Bündnis für Arbeit kaputt. Matthäus spielte wie ein tändelnder Kaufkraftsozi. Trittins Tretkünste luden zum Konter. Ihm schallt bei Auswärtsspielen zur Zeit dieselbe Parole entgegen wie Werder Bremen: Was ist grün und stinkt nach Fisch?

Derweil jettete Joschka Fischer anderswo seinen Bierhoff-Part herunter und glänzte anticoubertinisch. Wer gegen zehn müde Kolumbianer nur ein Remis erkämpft, verspielt auch sichere Bundesratsmehrheiten. Die FAZ beschwor nach der USA-Pleite den alten Kanzler: „3:0 für Vogts.“ Und Günter Netzer, der Heinz Maegerlein des Weltfußballs („Sie standen vor den Toren und köpften“), sah gar das Ende jener altfränkischen Assoziation namens „deutsche Nationalmannschaft“ heraufziehen.

Der Last-minute-Swing scheint zum Elfmeterschießen der Politik, genauer: zum James Last des Bundesrats, geworden zu sein. Voscherau, Renate Schmidt und Hans Eichel sind darüber in Hamburg, München und Wiesbaden gekippt worden. Der einzige penaltyfeste Linke, der jenen Effekt für sich nutzte, war Schröder – im März und September letzten Jahres in Hannover und Bonn.

Politisch nicht ganz unbedeutend: Langsam werden über den Teammanager die alten Honecker-Witze erzählt („Kommt Erich in den Supermarkt...“). Bitter für den eitlen Ribbeck: Nyltest trug er, als er noch aktiv bei Viktoria Köln war.

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