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Stoiber, die CDU und Europa

Beim Strategiepapier der Union zur Agenda 2000 hat sich Stoiber (CSU) weitgehend durchgesetzt. Ein europaskeptischer Wahlkampf ist nun zu erwarten  ■ Von Thorsten Denkler

Bonn (taz) – Edmund Stoiber schießt gerne. Zum Beispiel auf die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder. Manchmal aber auch auf die Schwesterpartei CDU. Am liebsten jedoch auf die Europäische Union.

Europa sei zu zentralistisch, zu viele Aufgaben würden von Brüssel wahrgenommen, letztlich würden die nationalen und regionalen Kompetenzen ausgehöhlt. Ein ums andere Mal hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Stoiber vor den Risiken eines zusammenwachsenden Europas gewarnt. Die bayerische Handschrift ist im Strategiepapier der Union zur Agenda 2000 deutlich herauszulesen. Gestern haben es die beiden Unionsspitzen Stoiber und Wolfgang Schäuble in Bonn vorgestellt.

Es geht ums ganz große Geld. Die Agenda 2000 hat ein Volumen von 1,4 Billionen Mark. Das ist das Dreifache eines Bundeshaushaltes. In den Jahren 2002 bis 2006 soll es ausgegeben werden. Deutschland zahlt davon jährlich 22 Milliarden Mark netto in die Kassen der EU ein. Das ist zuviel, meinen nicht nur die Unionschefs, sondern auch der Bundeskanzler. Der hatte kurz nach der Wahl das Ende der Scheckbuchdiplomatie angekündigt. Deutschlands Beiträge müßten zurückgefahren werden. Um 2 Milliarden Mark, das wäre für Schröder schon ein Erfolg. 14 Milliarden Mark wären besser, sagt Stoiber. Diese Summe haben nämlich die Bundesländer im Sommer vergangenen Jahres als Richtwert vorgegeben. Die CDU aber will nur 7 Milliarden Mark Entlastung. Und am Freitag vergangener Woche haben CDU und CSU sich auf eben diese 7 Milliarden Mark verständigt.

Eine Abmachung, die Stoiber wurmt, immer wieder verweist er auf den Länderwillen. Schäubles Stellvertreter Volker Rühe reagierte verärgert über die ständigen Sticheleien des CSU-Chefs. Die Schwesterpartei solle jetzt nicht die 14 Milliarden „zu einer heiligen Zahl in der Europapolitik“ machen, warnte Rühe. Die Meßlatte bleibe bei 7 Milliarden, auch wenn die bayerische Staatskanzlei immer wieder etwas anderes behaupte.

Derlei Unstimmigkeiten verbessern nicht gerade das Verhältnis der Unionsparteien untereinander. Trotzdem versucht Stoiber nach wie vor, die CDU auf seinen Kurs zu bringen. Der Erfolg der CDU in Hessen geht nicht zuletzt auf die von ihm, Stoiber, forcierte Unterschriftenaktion zurück. Ohne sie wäre Roland Koch wohl kaum Wahlsieger geworden.

Stoiber kann es sich also leisten, selbstbewußt aufzutreten. Daß Schäuble bei der Vorstellung der Agenda-2000-Papiers vor der Bundespressekonferenz zuerst das Wort ergreift, ist zwar selbstverständlich. Gestern aber wirkte es wie eine generöse Geste des mächtigen Bayern.

Nach außen demonstrieren beide Parteien Einigkeit. Die CSU bringe „lediglich ein kleines Stückchen mehr Selbstbewußtsein“ in das europapolitische Konzept ein, sagte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel.

Mehr Europa, weniger Bayern. Das ist Stoibers Befürchtung. Mit der Agenda 2000 soll den Ländern nämlich die Möglichkeit genommen werden, ihre strukturschwachen, meist ländlichen Regionen zu fördern. Geld soll es nach den EU-Plänen nur noch geben, wenn in der Region die Arbeitslosenquote zu hoch ist. Das sei zuviel Einmischung in die Angelegenheiten der Länder, ereifert sich Stoiber. Die Europäische Union solle sich stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Die Kompetenzen der EU, der einzelnen Mitgliedsstaaten und der Regionen müßten klar abgegrenzt werden. Von Wolfgang Schäuble hat man derart scharfe Töne bisher nicht gehört. Dank Stoiber ist das jetzt gemeinsame Position von CDU und CSU.

Die CDU hat damit eine Kehrtwende vollzogen. Noch vor Monatsfrist stritten sich die beiden Parteien, mit welchem Konzept sie in den Europawahlkampf gehen sollen: Die CSU präferiert einen europaskeptischen Kurs. Stoibers Parteivize Horst Seehofer sagt warum: Mit „Harmoniesoße und Konsensduselei“ komme man nicht weiter. Schäuble dagegen hätte lieber auf die Kohlschen Erfolge verwiesen und die Chancen, die Europa bietet, herausgestellt. Jetzt scheint alles auf einen stark CSU-geprägten Unionswahlkampf hinauszulaufen.

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