: Industriebrache für 1,7 Millionen Mark
■ Karl Könecke verscheuert alte, belastete Gewerbegrundstücke an die Stadt Bremen / Der Grund: Dort soll der Hemelinger Tunnel gebuddelt werden / Könecke verspricht 50 Jobs
Bremen-Hemelingen, Osenbrückstraße: Das Areal ist eine ziemlich unbekannte Adresse. Zu Recht: Hier gehen die Bundesbahngleise vorbei. Die Straße ist eine Sackgasse, die in den Hinterhof eines alten Industriegebietes führt. Hier kann man, ohne jemanden zu stören, Krach und Dreck machen. In der „Osenbrückstraße 23“ etwa nutzt eine KFZ-Selbsthilfewerkstatt das alte Industriegelände. Früher war da eine Maschinenfabrik, „der Gebäudebestand und die Versiegelung sind fast unverändert“, steht in einer „Vertraulichen Vorlage“ für den Vermögensausschuß.
Warum sich die Stadtgemeinde für die Ecke interessiert, liegt auf der Hand: Hier soll der Hemelinger Tunnel gebuddelt werden, und das Gelände wird als Baustellenzufahrt gebraucht. Aber der Besitzer, der zeitweise wegen seiner Steuerschulden in die Schweiz verzogene Wursthersteller Karl Könecke, will nicht verkaufen. Jedenfalls nicht zu einem Preis, der sich aus dem Grundstückswert minus Abbruchkosten errechnen würde. Und da ist noch ein anderes Problem: „Kosten für die Altlastenbeseitigung fallen grundsätzlich erst dann an, wenn das Erdreich bewegt wird“, steht in dem Behördenpapier. Das ist ein zärtlicher Hinweis darauf, daß unter dem Beton-Fabrikboden einiges liegen kann. Freiwillig würde hier mit Sicherheit niemand ein Loch buddeln.
Bei dem Grundstück Osenbrückstraße 16-18 ist es ähnlich. Eine Kistenfabrik stand hier früher, auch eine Maschinenfabrik, Schlosserei, Schmiede, Tischlerei, Malerei. „Das gesamte Grundstück ist fast vollständig mit einer Betondecke oder Pflasterung befestigt“. In den letzten 50 Jahren wollte niemand wissen, wie es darunter aussieht.
Das wenig attraktive alte Industriegebäude wird heute an eine Lehrwerkstatt vermietet, Besitzerin: die Karl-Könecke-Beteiligungsgesellschaft. Wenn die beiden Grundstücke für den Hemelinger Tunnel gebraucht werden, dann, so die Beschlußvorlage aus dem Vermögensausschuß, kann die Frage der Haftung für die Altlasten keine Rolle spielen: „Aufgrund der jahrzehntelangen früheren Nutzungen kann Herr Könecke für die Beseitigung der Altlasten nicht in Anspruch genommen werden, da sich der Verursacher heute nicht mehr feststellen läßt“, stellt das Finanzressort fest. Da erst mit dem Tunnelbau das Erdreich bewegt wird, werden die Kosten dem Tunnel zugerechnet, Könecke kann es also praktisch wie „altlastenfrei“ verkaufen. Nur über den Kaufpreis für das Gelände mußte man sich noch einigen.
„Herr Könecke war in der Vergangenheit nicht bereit, die Grundstücke zum Verkehrswert zu veräußern“, teilte das Finanzressort dem Vermögensausschuß mit. Denn er gab an, über 200.000 Mark Miet-einnahmen im Jahr für die alten Industrie-Gebäude zu erzielen. Man einigte sich schließlich auf 1,7 Millionen Mark für die 9.000 Quadratmeter Fläche, das heißt: knapp 200 Mark pro Quadratmeter. Hinzu kommen Mietentschädigungen über 306.000 Mark.
Um dieses Ergebnis zu rechtfertigen, bemüht der Finanzsenator einige Hilfsargumente. Als „stadtplanerische Zielsetzung“ sei dort an der Bahnlinie und auf den alten Industriegeländen „Wohnbebauung“ geplant. Dieses Ziel lasse sich nun umsetzen, heißt es hilfsweise in der Begründung für den teuren Ankauf. Und Könecke wolle zudem 50 neue Arbeitsplätze in seiner Wurstfabrik schaffen.
K.W.
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