: Typisch deutsches Wohnen
■ Diplom-Ingenieur für Innenarchitektur organisiert Hamburgs einzige Sprechstunde für Wohnprobleme. Bei der in Norddeutschland einmaligen Beratung war Judith Weber
Ich habe ein typisch deutsches Wohnproblem. Diese Diagnose ist hart, aber angesichts der Fotos von meinem Zimmer gerecht. „Die sehr weißen Wände zum Beispiel“, sagt Ulrich Hollstein und fährt mit dem Zeigefinger über ein Foto, immer am üppigen Weißraum über dem Bett entlang. Typisch deutsch, lächelt der Wohnberater – auch wenn die blasse Wand sich bei mir nicht mit jenen 80er Jahre-Chrom-Regalen paart, die oft Bestandteil des „regelrechten Wohnproblems“ der Deutschen sind.
Seit zehn Jahren versucht Hollstein, dieses Problem zu lösen. In seiner Wohnsprechstunde berät der „Diplom-Ingenieur für Innenarchitektur“ Menschen, die nicht wissen, ob das mintfarbene Sofa besser paßt als das pinke oder wo sie eine hübsche Kommode herkriegen. Der 40jährige, zeichnet Skizzen, wälzt Möbelkataloge und geht mit seinen KundInnen shoppen. Das alles soll erschwinglich sein. Denn daß „Wohnberatung bisher vor allem etwas für gut Betuchte war“, erfuhr der Rheinländer am eigenen Leib, als er sein Appartment in Hamburg einrichtete. Nun hilft er selbst – für 160 Mark pro Stunde, inklusive Zeichnung.
Die entsteht auf Pergamentpapier, das Hollstein über einen Wohnungs-Grundriß legt. Mit bunten Strichen macht er klar, wie ich mein WG-Zimmer kostengünstig verschönern könnte: „Den Computer würde ich rauswerfen“, erklärt er, „der dominiert das Zimmer.“ Und müßte ich nicht irgendwo Holz stapeln, um den Ofen zu befeuern? Nicht so dringend, wende ich ein, und gehorsam streicht er die Scheite aus dem Konzept.
„Jeder weiß schließlich selbst am besten, wie er wohnen will“, erläutert Hollstein. „Ich sehe mich nur als Filter, der bei der Auswahl hilft.“ Die Schwerpunkte seiner Beratung ändern sich daher nicht nur von Wohnung zu Wohnung, sondern auch im Laufe der Zeit. „Momentan geht der Trend zum Wohlfühlen“, beschreibt er. „In den vergangenen Jahren waren die Wohnungen eher darauf angelegt, zu repräsentieren.“
Beklemmenderweise liege ich auch hier voll im Trend. Hinter meinem Kachelofen (bullernd warm) liegt ein heimeliger Überseekoffer, der ein Regal ersetzt; daneben steht ein klobiger Schrank (verschnörkelt-gemütlich), dessen Abbeizen mich seinerzeit ein Drei-Gänge-Menü für meinen Freund Andreas gekostet hat. Trotzdem ist meine Wohnsituation hinreichend individuell, trösten mich Hollsteins nächste Worte: „Die meisten Möbel haben doch eine Geschichte.“
Das einzige wirkliche Problem, erkenne ich, liegt unter dem Tisch und in den Ecken meines Zimmers: Dort stapeln sich Bücher, Platten, CDs und Unverzichtbares, das ich seit Monaten nicht gebraucht habe. Ein Schrank würde hier Wunder wirken, rät Hollstein – und „regelmäßig ausmisten“.
Weitere Info: 040-432 091 45.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen