: Kulturmillionen für Investitionsruinen
■ Eigentlich sollte das Sony-Gebäude einmal die Mediathek und die Kinemathek beherbergen. Ersterer droht nun aber das Aus, und letztere soll deshalb nach dem Willen der SPD die Räume mit übernehmen. Ko
Aus der Traum. Eigentlich sollten die 60 Millionen Mark, die Staatsminister Naumann in diesem Jahr zusätzlich spendiert, die Hauptstadtkultur zum Leuchten bringen. Doch jetzt sollen sie, nach einem Vorschlag der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zu einem beträchtlichen Teil in Investitionsruinen fließen: 17 Millionen Mark aus diesem Topf möchten die Sozialdemokraten der Deutschen Kinemathek für den Ausstattung ihrer neuen Räume im Sony-Center am Potsdamer Platz spendieren.
Doch Berlins Politiker sind keineswegs über Nacht zu Filmfreaks mutiert. Im Gegenteil: Der plötzliche Geldsegen für die Kinemathek soll lediglich verhindern, daß ein weiteres hauptstädtisches Prestigeprojekt im finanziellen Desaster endet – die Gründung einer deutschen Mediathek. Denn nach sechs Jahren Vorarbeit steht das Projekt eines Hörfunk- und Fernsehmuseums vor dem Scheitern. Rundfunkanstalten und Bundesländer mögen sich finanziell nicht engagieren.
Aus den Verträgen mit Sony, die die Kulturverwaltung schon im voraus abgeschlossen hatte, kommt das Land jetzt aber nicht mehr heraus. Kommt die Mediathek nicht, muß deshalb die Kinemathek, die im kommenden Jahr von der Charlottenburger Heerstraße an den Potsdamer Platz umzieht, die Räume gleich mit übernehmen.
Eine eventuelle Vergrößerung der Kinemathek kommt das Land aufgrund seiner finanziellen Verpflichtungen gegenüber Sony freilich teuer zu stehen. Schließlich erhielt Sony das Filetgrundstück am Potsdamer Platz zum Vorzugspreis und mußte sich im Gegenzug lediglich verpflichten, zu einer damals sehr günstigen Miete von 25 Mark pro Quadratmeter die Kinemathek unterzubringen.
Für die Mediathek hingegen vereinbarte der Senat eine „marktübliche“ Miete von 49 Mark je Quadratmeter, schließlich hoffte er damals noch auf eine Beteiligung der Rundfunkanstalten. Im Mietvertrag übernahm die Kulturverwaltung obendrein die Kosten für Innenausbau und Grundausstattung der Räume. Aufgrund dieses „bekloppten“ Vertrages, so die bündnisgrüne Kulturpolitikerin Alice Ströver, sollten nun „die Naumann-Gelder an Sony überwiesen werden“.
Zwar versprach die Kulturverwaltung schon einmal, die Ausbaukosten durch anderweitige Einsparungen und Drittmittel von 24,5 auf 17 Millionen Mark zu drücken. Bei den 17 Millionen Mark für den Ausbau habe es sich, so Mediathek-Projektleiter Irmscher, ohnehin um eine „aus der Luft gegriffene Zahl“ gehandelt – um eine „Taktik der Kulturverwaltung, die die Finanzverwaltung nicht erschrecken wollte“, so SPD-Kulturexpertin Irana Rusta. Jetzt wollen die Sozialdemokraten weitere 17 Millionen Mark beisteuern – aus den Bonner Kulturmitteln.
Der Kulturbeauftragte Naumann hingegen weiß von seinem Glück noch gar nichts. Eine Sprecherin wies darauf hin, daß selbst der Vergabemodus erst noch geklärt werden müsse. Würden die Gelder in Berlin bereits fest verplant, sei das daher „etwas kühn“. Ralph Bollmann
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