■ Das quotierte Klassenzimmer: Hin zur Apartheid?
Die Quote ist wieder in. Der Ruf nach einer vorgegebenen Mischung an Schulen scheint allgegenwärtig. Eine Höchstgrenze für die Kinder von Zuwanderern, so wird suggeriert, sei die einzige Gewähr für einen reibungslosen Unterricht. Die deutschsprachigen Kinder seien nicht mehr in der Minderzahl – und die anderen würden endlich Deutsch lernen. Zunächst einmal kehrt damit, über den Umweg der Schule, eine Ethnisierung der Politik zurück.
Sodann ist die Quote nur ein frommer Wunsch: Wenn es denn so wäre, daß in einer Klasse unter zwanzig deutschsprachigen Kindern vier mit nichtdeutscher Erstsprache säßen, dann würden sie vielleicht von den anderen lernen – im Unterricht, vor allem aber während des Pausengesprächs und nach der Schule. Nur gibt die Bevölkerungsstruktur mancher Quartiere in Berlin oder anderen Großstädten diese Mischung rein rechnerisch gar nicht her. Die omnipotente Quote funktioniert also gar nicht mehr.
Trotzdem gibt es Unbelehrbare, die weiterhin nach einer Quote rufen. Manche streben, von der Quotierung in Schulen ausgehend, gar eine Art Apartheidspolitik an – etwa der gerade nach Brandenburg abgewanderte Ex-Innensenator Jörg Schönbohm. Er forderte eine Zuzugssperre für „Ausländer“. Ohne zu verraten, daß es sie in Berlin jahrzehntelang gab – ohne Erfolg. Genauso unseriös ist die Forderung nach einer „Deutschenquote“ von 30 Prozent. Ihr einziger Vorteil: Sie klingt originell. Und warum nicht gleich Quoten für Kinder von Arbeitslosen, Alleinerziehenden oder Sozialhilfeempfängern einführen?
Grundsätzlich ist die Annahme unsinnig, Schule sei ein unveränderbares System, in dem über Jahrzehnte dieselben Inhalte auf die immer gleiche Art und Weise einer sich nie verändernden Gruppe von SchülerInnen vermittelt werde. Jeder Inhalte, jede Methode gehört in ihre Zeit und in ihren sozialen Rahmen. In Berlin wie in anderen Großstädten hat er sich geändert: Die Schülerschaft ist nicht mehr diejenige, für die einst die Konzepte entwickelt worden waren. Schon die Annahme, jedes Kind werde mit altersgemäßen Deutschkenntnissen eingeschult, stimmt heute nicht. Für immer mehr SchülerInnen ist Deutsch die Zweitsprache. Mancherorts hat jedes zweite Kind eine andere Erstsprache als Deutsch.
Die Familien haben konkrete Gründe, warum sie in ihrem Kiez wohnen. In den meisten Fällen ist ein geringes Einkommen ausschlaggebend, das ihnen wenig Optionen läßt. Wir können uns also unsere ideale Klasse nicht backen. Daher muß es darum gehen, der neuen Zusammensetzung der Schülerschaft entsprechend neue Konzepte zu entwickeln – auf eine demokratische Art.
Dazu gehört es, ErzieherInnen und LehrerInnen anders zu qualifizieren, als bislang geschehen. Sie müssen die Kompetenz erhalten, Deutsch als Zweitsprache zu vermitteln, mit zweisprachigen Kindern zu arbeiten und sicher im multikulturellen Schulalltag zu agieren. Nicht zuletzt wären auch mehr Lehrerstunden und neues Unterrichtsmaterial notwendig, um neu zu definierende Aufgaben bewältigen zu können.
Das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Es kostet Zeit und Geld. Langfristig gibt es aber zu den sich de facto entwickelnden Modellen von Apartheid keine andere Alternative, als den Kopf aus dem Sand zu holen und Kitas und Schulen wirklichkeitstauglich auszustatten. Sanem Kleff
Die Autorin ist im Bundesvorstand der GEW zuständig für multikulturelle Angelegenheiten.
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