: Bremer Arbeitslosigkeit trotz Bauboom
■ Baugewerkschaft kitisiert öffentliches Vergabeverfahren, das auswärtige Generalunternehmer zu Billiglohn-Wettbewerb gegen die regionale Bauwirtschaft motiviert
„Wir haben es mit Mafia-Kriminalität zu tun. Im Baugewerbe kann man Geld verdienen wie mit Rauschgifthandel.“ So drastisch sagte es gestern der Geschäftsführer der IG Bau, der SPD-Politiker Wolfgang Jägers. Die Gewerkschaft ist empört darüber, daß trotz des Booms bei den öffentlichen Bauinvestitionen in Bremen die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter steigt. Und zwar über den Bundesdurchschnitt: Während durchschnittlich 1997 die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe um 6,9 Prozent zurückging, waren es in Bremen 9,2 Prozent. Warum das so ist, kann man zum Beispiel am Bahnhofsplatz sehen: Die Embleme Bremer Baufirmen gibt es da praktisch nicht.
Eine Million Mark zusätzlicher Bau-Investition schafft 6,2 Arbeitsplätze, das ist eine anerkannte Faustregel für das Baugewerbe. Die staatlichen Bauinvestitionen sind um mehr als 600 Millionen Mark auf 1,1 Milliarden Mark angewachsen – das könnte reguläre Arbeitsverhältnisse für mehr als 3.000 arbeitslose Bauarbeiter bedeuten. Aber in den Bauberufen ist die Zahl der Beschäftigten auch im Jahre 1998 um 8,4 Prozent gesunken. 1.687 Bauberufler sind allein in den Landesgrenzen Bremens derzeit arbeitslos gemeldet, dazu kommen 800 Kurzarbeiter. Inzwischen kommen mittelständische Baubetriebe zur Gewerkschaft und bitten darum, etwas gegen die ruinöse Entwicklung zu tun.
Für die Experten von der Arbeiterkammer ist die Ursache der Schere klar: In Bremen werden staatliche Großaufträge an Generalunternehmer vergeben, und mittelständische Betriebe aus der Region haben keine Chance, sich am Bieterverfahren zu beteiligen. Die Generalunternehmer engagieren dann Sub- und die wiederum die billigsten Subsub-Unternehmen. Die Beschäftigten wollen selbst der Gewerkschaft nicht sagen, was denn ihr Lohn sei (vgl. taz 26.3.) – und sie verzichten auch darauf, den ihnen zustehenden Lohn einzuklagen. „Die Kollegen sind offenbar massiv unter Druck“, erklärt Jägers das Phänomen.
Auch für den Hauptgeschäftsführer der Arbeiterkammer, Heinz Möller, ist die Politik eindeutig verantwortlich. „Einige scheinen nicht zu wissen, was ein Arbeitsloser die Kommune kostet“, meinte Möller, und: „Mir ist Angst und Bange, wenn ich die Reaktionen und den Frust der arbeitslosen Bauarbeiter auf ihre ausländischen Kollegen sehe.“ Auch für so gezüchtete Ausländerfeindlichkeit gebe es eine politische Verantwortung.
Aber nicht nur die öffentlichen Auftraggeber sind Schuld. DaimlerChrysler etwa, sagt Jägers, beschäftigt „massenhaft Billiglohn-Arbeitnehmer“ auf der Baustelle Halle 7 und 8. „Meine Kenntnis ist, daß sie effektiv weniger als den Mindestlohn von 16 Mark bekommen.“ Oder das Walle-Center – Jägers: „Das ist ein Schwarzbau.“ Der Investor Albrecht habe den Bau mit polnischen Arbeitskräften hochgezogen, „die haben uns, als sie nicht beobachtet wurden, gesagt, daß sie fünf Mark pro Stunde bekommen“. Klaus Imhoff vom Bezirksverband Bremerhaven der IG Bau: „Spätestens der zweite Subunternehmer im Bereich Eisen ist illegal.“
Durch die Vergabe an private Firmen verschwimmt auch die Grenze zwischen öffentlichen Aufträgen und privaten Bauvorhaben. Das Chemie-Gebäude für die Universität wurde im Leasing-Verfahren an einen Bauträger vergeben; hier wurde ein erheblicher Verstoß gegen entsendungsrechtliche Vorschriften festgestellt – ohne daß es Sanktionen gab: Der Generalunternehmer wusch seine Hände in Unschuld und sein Sub-Subunternehmer war längst nach Portugal verschwunden.
Die Bürgerschaft hat, erinnert der SPD-Abgeordnete Jägers, im vergangenen September einen Antrag beschlossen, mit dem Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) verpflichtet werden sollte, bei der Polizei Sonderermittlungsgruppen einzusetzen. „Es ist bis heute nichts passiert“, sagt Jägers. Jetzt haben Arbeiterkammer und IG Bau einen Gesetzentwurf vorbereitet, der Vergabegrundsätze festschreiben soll. Das Gesetz würde in Bremen Verfahren einführen, die in Bayern oder Hessen selbstverständlich sind – unabhängig von der „Farbe“ der Regierungspartei: Der Schutz des regionalen Mittelstandes vor unlauterem Wettbewerb trifft sich da mit dem Schutz der Interessenvertretung arbeitsloser Bauarbeiter. „Wir sind guter Hoffnung, daß wir Verbündete im Parlament für unseren Gesetzesentwurf finden“, sagt Arbeiterkammer-Geschäftsführer Möller. Die SPD-Fraktion hat die Sache in ihrem Wahlprogramm stehen. Aber die CDU ist dagegen, räumt Jägers ein. Und dann darf die SPD diesen Gesetzentwurf nicht formal einbringen
K.W.
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